Ein ungeplantes Votum für die schrittweise Rückkehr zur Wehrpflicht, aber keine Abkehr vom harten Kurs in der Asylpolitik: Der CDU-Parteitag hat am Dienstag in teils kontroversen Debatten über das neue Grundsatzprogramm befunden. Am Nachmittag ist auch CSU-Chef Markus Söder zu Gast: Er sah im Vorfeld CDU-Chef Friedrich Merz in einer Favoritenrolle für die Kanzlerkandidatur der Union.
Auf Antrag der Jungen Union (JU) sprachen sich die Delegierten für die „schrittweise“ Rückkehr zur Wehrpflicht aus, die seit 2011 ausgesetzt ist. Zwischenetappe soll eine sogenannte Kontingentwehrpflicht sein. Bei ihr würden alle Männer und Frauen gemustert, aber nur ein Teil je nach Bedarf der Bundeswehr auch eingezogen. Übergeordnetes CDU-Ziel bleibt weiter das bereits beschlossene verpflichtende Gesellschaftsjahr, das sowohl bei der Bundeswehr als auch bei sozialen Einrichtungen abgeleistet werden kann. Ein ähnliches Modell gibt es bereits in Schweden.
In dem Programmentwurf hatte die Parteispitze zunächst nur geschrieben, es dürfe bei der Wehrpflicht „keine Denkverbote für die Zukunft“ geben. Es wurde lediglich darauf verwiesen, dass das bereits beschlossene Konzept eines verpflichtenden Gesellschaftsjahres „auch den Streitkräften unseres Landes zugutekommen“ sollte.
Der JU-Bundesvorsitzende Johannes Winkel kritisierte dies mit Blick auf Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine. Es sei ein „unhaltbarer Zustand“, dass sich Deutschland wegen Personalengpässen bei der Bundeswehr „im Notfall nicht gegen Aggressionen von außen verteidigen kann“, sagte er. Die Kontingentwehrpflicht sei eine „kurzfristige und realistische Möglichkeit“, um die Personalprobleme der Bundeswehr anzugehen.
Unterstützung bekam der Vorschlag unter anderem von Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther. Es brauche bei der Bundeswehr nicht nur eine Zeitenwende in Sachen Ausrüstung, sondern auch beim Personal, um glaubwürdig Abschreckung zu betreiben – denn viele Stellen seien schon jetzt unbesetzt. Günther betonte, die Wiedereinführung der Wehrpflicht wäre „ein sichtbares Zeichen an Russland und andere“, dass Deutschland ernsthaft zur Verteidigung bereit sei.
Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) lässt derzeit den Personalbedarf der Bundeswehr prüfen und hatte sich jüngst auch für eine Debatte über die Wehrpflicht ausgesprochen. Der Unionsfraktionsvize Johann Wadephul sprach sich vor diesem Hintergrund für den Wehrpflicht-Passus im Grundsatzprogramm aus. Sonst stehe die CDU in der absehbaren Diskussion ohne Position zur Wehrpflicht da. Die Delegierten stellten sich schließlich hinter eine Kompromissformulierung, die weitgehend dem JU-Vorschlag entsprach.
Abgelehnt wurde nach kontroverser Debatte hingegen ein Vorstoß zu einer Abschwächung der scharfen Linie in der Asylpolitik. Der Beschluss sieht nun vor, Asylverfahren in Drittstaaten außerhalb der EU auszulagern und die Asylsuchenden auch dann in diesen Drittstaaten unterzubringen, wenn ihr Asylgesuch angenommen wird.
Dies hatte in der Debatte insbesondere der Außenpolitiker Norbert Röttgen kritisiert. „Das wird uns nicht gerecht – diese Hartherzigkeit, diese mangelnde Humanität“, sagte er. „Denen, die wirklich verfolgt sind, sollten wir Schutz geben“. Dies gebiete das Grundgesetz und das internationale Recht. Röttgen konnte die Delegierten jedoch nicht in ausreichender Zahl überzeugen, die ursprüngliche Passage wurde bei einigen Gegenstimmen angenommen.
Von Zugewanderten verlangt die CDU in dem Grundsatzprogramm ein Bekenntnis zur deutschen Leitkultur „ohne Wenn und Aber“. Ohne große Diskussion wurde nun eine Passage zum Umgang mit Muslimen angenommen. Muslime seien zwar „Teil der religiösen Vielfalt Deutschlands und unserer Gesellschaft“, heißt es dort. „Ein Islam, der unsere Werte nicht teilt und unsere freiheitliche Gesellschaft ablehnt, gehört nicht zu Deutschland.“
Der CDU-Parteitag hatte am Montag mit Wahlen der Führung begonnen. Parteichef Merz wurde dabei mit knapp 90 Prozent im Amt bestätigt. Vor seinem Auftritt beim Parteitag am Dienstag betonte CSU-Chef Söder, ein CDU-Vorsitzender sei bei der Frage der Unions-Kanzlerkandidatur „natürlich (…) immer der Favorit“. Er verwies dabei gleichzeitig auf den mit der CDU vereinbarten Zeitplan, erst nach den drei Landtagswahlen in Ostdeutschland im September zu entscheiden.
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