Das Bundeskabinett beschloss am Mittwoch einen entsprechenden Entwurf zum „Gesundes-Herz-Gesetz“, mit dem sich nun der Bundestag befassen muss. „Das Gesetz wird zahlreiche Menschenleben in Deutschland retten“, sagte Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) in Berlin. Auf Zustimmung stieß das Gesetz bei Kardiologen, Kritik kommt hingegen von den Krankenkassen.
Erkrankungen des Herzens und der Blutgefäße wie Herzinfarkte und Schlaganfälle sind in Deutschland die häufigste Todesursache: Sie sind für rund ein Drittel aller Todesfälle verantwortlich. An ihnen starben laut Statistischem Bundesamt 2023 rund 348.000 Menschen. Auch die Kosten für das deutsche Gesundheitssystem sind enorm: 2020 waren es fast 57 Milliarden Euro – Kreislauf-Erkrankungen lagen damit vor allen anderen Krankheiten.
Das Gesundheitsministerium verweist zudem auf Studien, wonach bis zu 70 Prozent dieser Erkrankungen durch einen ungesunden Lebensstil – ungesunde Ernährung, wenig Bewegung, Rauchen und übermäßigen Alkoholkonsum – verursacht werden. Hier will Lauterbach mit seinem Gesetz ansetzen. Denn die kardiologische Versorgung in Deutschland sei nicht das Problem, sondern „sehr gut“, betonte er. „Woran es fehlt, ist die Vorbeugemedizin.“
Kinder, Jugendliche und Erwachsene sollen sich deshalb künftig regelmäßig Untersuchungen unterziehen, um Störungen zu erkennen und vorzubeugen. Geplant ist zudem, dass gesetzlich Versicherte einen erweiterten Anspruch auf Medikamente zu Tabakentwöhnung haben und Ärzte leichter Cholesterinsenker verordnen können.
Lauterbach erhofft sich davon, „die Lebenserwartung zu verbessern“. Orientiert habe sich sein Ministerium „sehr eng“ an den Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie (DGK). Diese begrüßte das Gesetz als „guten Anfang“. ,In Deutschland werde nur wenig für die Prävention und Früherkennung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen ausgegeben, sagte DKG-Vorstandsmitglied und Kardiologe Stephan Baldus bei der Vorstellung des Gesetzes. Dieses sei deshalb „ein wesentlicher Baustein zur Verbesserung der Herz-Gesundheit“ hierzulande.
Kritik äußerten hingegen die Krankenkassen. Sie befürchten vor allem hohen Kosten. „Die vorgesehenen Maßnahmen verbessern nicht die Herzgesundheit, sondern verschärfen nur die ohnehin prekäre Finanzlage der Gesetzlichen Krankenversicherung“, warnte die Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbandes, Carola Reimann. Es seien Zusatzkosten in Höhe von 3,8 Milliarden Euro zu erwarten. ,Das Gesetz sei „der falsche Weg“, findet auch der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV). Mit dem Entwurf würden über Jahre mit Beitragsgeldern aufgebaute Präventionsstrukturen gefährdet.
Die Präventionsprogramme der Kassen hätten nicht die erwarteten Erfolge gebracht, sagte Lauterbach dazu. „Zusätzliche Kosten in nennenswerter Höhe“ erwartet er nicht – da Kosten von diesen Programmen zu den neuen Maßnahmen umgeschichtet würden.
Kritische Stimmen kommen auch aus der Union und von den Grünen. „Über Jahre hinweg eingenommene Arzneimittel mit ihren Nebenwirkungen sollten nicht die vorrangige Regel werden“, sagte der CDU-Gesundheitspolitiker Tino Sorge der Nachrichtenagentur AFP. „Vielmehr wäre es Zeit, eine richtige Kampagne für mehr Sport und eine ausgewogene und gesunde Ernährung zu starten sowie die etablierten Präventionsstrukturen auszubauen.“
Das Gesetz solle der Früherkennung dienen und die Prävention stärken, sagte die Grünen-Bundestagsabgeordnete Renate Künast zu AFP: „So weit, so gut. Meines Erachtens müssen wir aber viel früher ansetzen.“ Prävention beginne bei den Ursachen. „Also da, wo bereits verhindert werden kann, dass immer mehr Kinder und Jugendliche täglich zu viel Zucker und Ungesundes konsumieren und die Gefahr für Herz-Kreislauferkrankungen steigt.“
Das Kabinett müsse deshalb „endlich“ das Gesetz für mehr Kinderschutz in der Werbung beschließen. „Damit Kinder und Jugendliche nicht an jeder Ecke zu ungesundem Essen verleitet werden und erst gar keine ernährungsbedingten Krankheiten entwickeln.“ Den zugehörigen Gesetzentwurf hatte Landwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) bereits im Februar letzten Jahres vorgestellt.
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