Bundesfinanzministerium warnt in Prognose vor explodierender Staatsverschuldung

Das Bundesfinanzministerium warnt vor einem drastischen Anstieg der Staatsverschuldung.

Das Bundesfinanzministerium warnt vor einem langfristig drastischen Anstieg der Staatsverschuldung. Durch ein Zusammenwirken von konjunktureller Schwäche und der fortschreitenden Alterung der Bevölkerung könne sich die gesamtstaatliche Verschuldung bis 2070 auf 345 Prozent des Bruttoinlandsprodukts vervielfachen, heißt es in dem aktuellen Tragfähigkeitsbericht, den das Ministerium am Mittwoch vorstellte.

Ein derartiger Anstieg sei „in einem ungünstigen Szenario“ zu erwarten, heißt es in dem Papier des FDP-geführten Ministeriums. In einem „günstigen Szenario“ könnte die Staatsverschuldung von aktuell 64 Prozent auf 140 Prozent des Bruttoinlandsprodukts anwachsen. Das Haushaltsdefizit könnte bis 2070 unter günstigen Bedingungen auf 2,67 Prozent des Bruttoinlandsprodukts steigen, unter ungünstigen Bedingungen auf 6,93 Prozent.

Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) wertete die Befunde als „Appell an die Politik, Strukturreformen in allen relevanten Politikbereichen anzustoßen“. Die aktuelle Ausgestaltung der Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung sei „in ihrer jetzigen Form langfristig nicht finanzierbar“. Der FDP-Haushaltsexperte Christoph Meyer rief die Koalitionspartner zu Reformbereitschaft auf. „Der Tragfähigkeitsbericht zeigt, ohne starkes Wirtschaftswachstum ist der üppige Sozialstaat zukünftig nicht mehr finanzierbar“, erklärte er.

Mit dem Bericht zur Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen, dem so genannten Tragfähigkeitsbericht, informiert das Bundesfinanzministerium über die langfristige Entwicklung der öffentlichen Finanzen – in der Regel einmal pro Legislaturperiode. Der letzte Bericht wurde 2020 vorgelegt. Die Prognose soll laut Ministerium ein „wichtiger Frühwarnmechanismus für eine vorausschauende Finanzpolitik“ sein.

Der Schwerpunkt im Bericht 2024 liegt auf den demografischen Herausforderungen, denen die öffentlichen Finanzen in Zukunft gegenüberstehen. „Wir sehen bereits jetzt, dass ein Rückgang der Bevölkerung im Erwerbsalter mit einem Anstieg der Bevölkerung im Ruhestand einhergeht“, heißt es in dem Papier.

Entsprechend würden die demografiebedingten Ausgaben des Staats steigen – unter „ungünstigen Bedingungen“ von 27,3 Prozent des Bruttoinlandsprodukte im Jahr 2022 auf 36,1 Prozent im Jahr 2070. Unter „günstigen Bedingungen“ ließe sich der Anstieg auf 30,8 Prozent des Bruttoinlandsprodukte im Jahr 2070 begrenzen.

Insbesondere eine höhere Zuwanderung und eine niedrigere Erwerbslosigkeit würden sich „günstig auf die langfristige Tragfähigkeit“ der Staatsfinanzen auswirken, schreibt das Bundesfinanzministerium. Ebenfalls günstige Effekte hätten eine stärker steigende Erwerbsbeteiligung von älteren Menschen sowie ein stärkerer Anstieg der Erwerbsbeteiligung von Frauen.

In dem Bericht gibt das Ministerium eine Prognose zur Entwicklung der Beschäftigtenzahl ab, die in Ost- und Westdeutschland sehr unterschiedlich ausfallen dürfte. Bei „moderater Entwicklung von Geburtenhäufigkeit, Lebenserwartung und Nettozuwanderung“ würde die Zahl der Erwerbspersonen im Zeitraum zwischen 2022 bis 2070 bundesweit um zwölf Prozent abnehmen – in den westdeutschen Flächenländern um elf Prozent und in den ostdeutschen Flächenländern um 21 Prozent.

Berlin wäre demnach das einzige Bundesland, das im Gesamtzeitraum bis 2070 an Erwerbspersonen gewinnen dürfte (plus fünf Prozent). Das Ministerium weist allerdings darauf hin, dass diese Vorhersagen mit großer Unsicherheit behaftet seien.
© AFP

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