Berliner Arzt wegen Unterstützung bei Suizid zu drei Jahren Haft verurteilt

Wegen Unterstützung bei einem Suizid ist ein Berliner Arzt zu einer Freiheitsstrafe wegen Totschlags verurteilt worden.

Wegen Unterstützung bei einem Suizid ist ein Berliner Arzt zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt worden. Das Berliner Landgericht sprach den 74-Jährigen am Montag wegen Totschlags schuldig. Christoph T. hatte 2021 einer 37-jährigen Studentin auf ihren Wunsch hin eine Infusion mit einem tödlich wirkenden Medikament gelegt. Aus Sicht des Gerichts war der Sterbewunsch Frau aber nicht von „Dauerhaftigkeit und innerer Festigkeit getragen“.

Die Studentin der Tiermedizin hatte sich wegen einer Depression an T. gewandt und ihn gebeten, ihr beim Suizid zu helfen. Ein erster Versuch im Juni 2021 scheiterte, weil die 37-Jährige die eingenommenen Medikamente wieder erbrach. Beim zweiten Versuch wenige Wochen später legte T. eine Infusion, welche die Studentin selbst auslöste.

Allerdings habe die Frau noch am selben Morgen Zweifel an ihrem Sterbewillen geäußert, sagte der Vorsitzende Richter Mark Sautter. Sie sei „sehr schwankend“ im Bezug auf ihren Suizidwillen gewesen. Dies gehe aus der Kommunikation zwischen dem Arzt und der 37-Jährigen hervor, die dem Gericht vorlag.

Außerdem sei davon auszugehen, dass ihr eine „rationale Bilanzierung“, etwa was Therapiechancen betraf, nicht möglich gewesen sei, sagte der Richter. Die Fähigkeit der Studentin, realitätsgerecht zu entscheiden, sei krankheitsbedingt eingeschränkt gewesen. Das sei T. bekannt gewesen.

Darüber hinaus nahm er aus Sicht des Gerichts unmittelbar Einfluss auf die Entscheidung der Frau, indem er ihr zusagte, bei einem neuen Scheitern des Suizids auch über die Grenzen des Erlaubten hinaus mit weiteren Medikamenten „nachzuhelfen“. Damit habe er die Entscheidung über ihr Leben maßgeblich beeinflusst. Deshalb sei davon auszugehen, dass der Angeklagte eben nicht nur straflose Beihilfe zum Suizid geleistet, sondern die Frau als mittelbarer Täter „zu einem Werkzeug gegen sich selbst“ gemacht habe.

T. sagte nach dem Urteil vor Journalisten, der Wille der Suizidwilligen habe aus seiner Sicht nicht genug Beachtung gefunden. Er habe die Sorge, dass durch das Urteil nun die Zahl der Gewaltsuizide wieder steige, weil Ärzte sich eingeschüchtert fühlten.

Das Gericht verurteilte T. wegen Totschlags in einem minderschweren Fall. Zu seinen Gunsten sei unter anderem berücksichtigt worden, dass er aus altruistischen Motiven gehandelt habe und von Anfang an geständig gewesen sei.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Eine Revision am Bundesgerichtshof ist möglich. Richter Sautter legte eine solche in seiner Urteilsbegründung sogar nahe. Der Fall zeige, dass eine Präzisierung des rechtlichen Rahmens noch notwendig sei.

T. hatte sich bereits 2018 vor dem Kammergericht wegen der Unterstützung eines Suizids verantworten müssen. Er hatte 2013 eine Frau beim Suizid begleitet, die seit vielen Jahren unter großen Schmerzen wegen eines Reizdarmsyndroms gelitten hatte. Das Kammergericht sprach Christoph T. damals frei, der Bundesgerichtshof folgte dieser Einschätzung.

Die Deutsche Stiftung Patientenschutz begrüßte das Urteil vom Montag und wiederholte ihre Forderung, die „gewerbsmäßige Förderung der Selbsttötung“ grundsätzlich unter Strafe zu stellen. Ein Sterbehelfer habe habe zweifelsfrei sicherzustellen, dass der Suizid selbstbestimmt gewünscht werde und die Entscheidung ohne Einfluss sowie Druck seitens Dritter zustande komme, erklärte Vorstand Eugen Brysch. Wo Geld fließe, gehe die Selbstbestimmung verloren.
© AFP

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