Bei der Bundestagswahl 2021 war Annalena Baerbock (Grüne) als erste Kanzlerkandidatin ihrer Partei angetreten – für die kommende Bundestagswahl verzichtet die heutige Außenministerin auf eine erneute Kandidatur. Nach ihrer überraschenden Verzichtserklärung vom Mittwochabend richteten sich die Augen nun auf Vizekanzler Robert Habeck: Dieser hielt sich jedoch zunächst bedeckt, was eine eigene Kanzlerkandidatur 2025 angeht.
Baerbock begründete ihren Verzicht mit den Anforderungen ihres Ministeramts. „Statt in einer Kanzlerkandidatur gebunden zu sein“, wolle sie angesichts der internationalen Krisen ihre Kraft „weiterhin voll und ganz“ ihrer aktuellen Aufgabe widmen, sagte in einem Interview mit dem US-Nachrichtensender CNN.
„Die Welt ist offensichtlich eine ganz andere als zur letzten Bundestagswahl“, fügte Baerbock in dem Interview am Rande des Nato-Gipfels in Washington hinzu. „Im Lichte des russischen Angriffskriegs und nun auch der dramatischen Lage im Nahen Osten braucht es nicht weniger, sondern mehr Diplomatie“, sagte sie. Im Wahlkampf werde sie allerdings „alles tun, um meine Partei zu unterstützen, wie ich es das letzte Mal auch getan habe“.
Baerbocks Ankündigung könne den Weg für einen Kanzlerkandidaten Habeck freimachen. Dieser äußerte sich zunächst aber nicht zu eigenen Ambitionen: Über das weitere Vorgehen würden die Parteigremien beraten, sagte der Bundeswirtschaftsminister.
Vor zwei Jahren hatten die Grünen-Gremien beschlossen, eine Urwahl durch die Mitglieder abzuhalten, wenn es zwei oder mehr aussichtsreiche Anwärter auf die Kanzlerkandidatur geben sollte. 2021 hatten die damaligen Grünen-Chefs Baerbock und Habeck die Entscheidung unter sich ausgemacht. Habeck hatte Baerbock damals die Kandidatur überlassen – machte aber keinen Hehl daraus, dass er selbst gerne Kanzlerkandidat geworden wäre. Bei der Wahl landeten die Grünen mit einem Stimmenanteil von 14,8 Prozent hinter SPD und Union.
Eine Vorfestlegung auf einen Kanzlerkandidaten Habeck vermieden Spitzengrüne am Donnerstag. „Er muss für sich selber entscheiden, ob er das möchte – aber ich traue ihm sehr viel zu“, sagte Fraktionschefin Katharina Dröge den Sendern RTL und ntv. Die Frage werde nun zunächst die Gremien beschäftigen.
Der Grünen-Bundestagsabgeordnete Sven-Christian Kindler äußerte im Deutschlandfunk die Erwartung, „dass Robert Habeck eine extrem wichtige Rolle für uns im Wahlkampf spielen wird“. Die Entscheidung werde aber in den Parteigremien gefällt, sagte auch er. „Wir brauchen Teamplay.“
Etwas skeptischer äußerte sich in der „Rheinischen Post“ der Grünen-Bundestagsabgeordnete Felix Banaszak: Habeck müsse für eine Kanzlerkandidatur „unter Beweis stellen, dass er die Partei in ihrer Breite mitnehmen kann und will“, sagte er.
Baerbock erntete für ihre Verzichtsentscheidung viel Lob aus den eigenen Reihen. „So kennen und schätzen wir Annalena Baerbock: Verantwortung fürs Ganze und eine Teamspielerin“, schrieb Parteichefin Ricarda Lang im Onlinedienst X. „Eine Außenministerin, wie sie wird im Moment so sehr gebraucht wie vielleicht noch nie.“ ,Kaum jemand verkörpere aktive europäische Außenpolitik so wie Baerbock, schrieb Parteichef Omid Nouripour auf X. „Dank ihr ist Deutschland ein verlässlicher Partner in der Welt.“ Sie habe mit ihrer Entscheidung wieder einmal gezeigt, dass sie genau dafür stehe.
Die Vorsitzende der Grünen-Bundestagsfraktion, Britta Haßelmann, nannte Baerbock ebenfalls eine „Teamspielerin durch und durch“. Dafür sei sie in der Partei bekannt. „Sie zeigt große Verantwortung, in dieser krisenhaften Zeit und dieser Weltlage ihr Engagement voll und ganz der Außenpolitik zu widmen“, sagte Haßelmann dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND).
Baden-Württembergs Grüner Ministerpräsident Winfried Kretschmann lobte die Außenministerin ebenfalls. „Ich habe großen Respekt vor dieser Entscheidung“, sagte Kretschmann dem „Tagesspiegel“. Baerbock führe ihr Amt „mit Stärke und Weitblick“, fügte er hinzu.
Im aktuellen „Trendbarometer“ des Instituts Forsa im Auftrag von RTL und ntv erreichten die Grünen in dieser Woche Zustimmungswerte von lediglich elf Prozent und landeten damit auf Platz vier. Die Union kam demnach auf 30 Prozent, die AfD auf 17 und die SPD auf 14 Prozent.
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