Baerbock kritisiert CDU-Vorstoß zu Abschiebung von Flüchtlingen nach Ruanda

Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) hat bei ihrem Besuch in Ruanda Forderungen nach einer Auslagerung von Asylverfahren eine Absage erteilt.

In der Debatte über Drittstaaten-Modelle für Flüchtlinge hat sich Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) vom sogenannten Ruanda-Modell distanziert – dem Plan, irregulär nach Europa eingereiste Geflüchtete in Länder wie Ruanda zu bringen. Baerbock verwies auf „hohe Hürden“ für eine solche Regelung, wie sie etwa der CDU-Politiker Jens Spahn fordert. Der Migrationsbeauftragte Joachim Stamp nannte den Vorstoß Spahns, der auch Ghana oder osteuropäische Nicht-EU-Länder als mögliche Drittstaaten nannte, „geradezu kindlich naiv“.

Baerbock zeigte sich am Montag bei einem Besuch in Ruandas Hauptstadt Kigali „etwas verwundert“ darüber, dass „insbesondere von konservativen Politikern“ die Forderung erhoben werde, nach Europa geflüchtete Menschen in Länder wie Ruanda zu bringen. Mit solchen Forderungen solle vom eigentlichen Ziel abgelenkt werden – der Umsetzung einer gemeinsamen europäischen Asylpolitik.

Gerade konservative Kräfte hätten immer eine gemeinsame europäische Migrationspolitik gefordert, sagte Baerbock. Sie müssten nun konstruktiv dazu beitragen, dass die vorliegenden Vorschläge eine Mehrheit im Europäischen Parlament bekommen. „Es wäre aus meiner Sicht auch im Sinne der deutschen Migrationsdebatte, wenn die Konservativen endlich ihre volle Kraft dafür bereitstellen – im europäischen Parlament, aber auch in der deutschen Diskussion“, fügte Baerbock hinzu. Die Forderung nach Übernahme des Ruanda-Modells sei nur eine „theoretische Diskussion“.

Die Vereinbarung zwischen Großbritannien und Ruanda sieht vor, dass irregulär eingereiste Ankömmlinge künftig ohne Prüfung ihres Asylantrags aus Großbritannien in das afrikanische Land geschickt werden. Eine Rückkehr nach Großbritannien ist nicht vorgesehen. Davon erhofft sich die britische Regierung eine abschreckende Wirkung auf Migranten.

Unionsfraktionsvize Spahn hatte am Wochenende gefordert, alle irregulär in die EU gelangenden Geflüchteten nach Ghana, Ruanda oder in osteuropäische Nicht-EU-Länder zu schicken. „Wenn wir das vier, sechs, acht Wochen lang konsequent durchziehen, dann werden die Zahlen dramatisch zurückgehen“, sagte er der „Neuen Osnabrücker Zeitung“. In der Genfer Flüchtlingskonvention stehe nicht, dass Schutz vor Kriegsverfolgung in der EU gewährt werden müsse.

Der Migrationsbeauftragte der Bundesregierung, Stamp, sagte der „Bild“-Zeitung vom Montag: „Die Idee sicherer Drittstaaten ist nicht neu und auch im Koalitionsvertrag der Ampel angelegt.“ Sie lasse sich aber nicht so einfach umsetzen, wie Spahn „geradezu kindlich naiv“ annehme. Diplomatische Bemühungen auf europäischer Ebene würden „von vornherein kaputt gemacht, wenn öffentlich über potenzielle Länder spekuliert wird“, mahnte Stamp. Die Migrationskrise lasse sich nicht „durch schnelle Schlagzeilen“ bewältigen.

Der Drittstaaten-Vorschlag ist auch Kern des Migrationskonzeptes im Entwurf des neuen Grundsatzprogramms, den die CDU vor einigen Tagen vorgestellt hatte. Der Unions-Innenexperte Alexander Throm (CDU) hatte Baerbock aufgefordert, bei ihrem Ruanda-Besuch die Möglichkeiten einer Asyl-Zusammenarbeit zu sondieren.

„Ruanda wäre ein möglicher Partner für uns, bei dem Asylverfahren außerhalb Europas durchgeführt werden könnten“, sagte Throm der Nachrichtenagentur AFP. Der innenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion verwies darauf, dass die Bundesregierung im November beim Bund-Länder-Gipfel „ausdrücklich zugesagt hat, eine solche Drittstaaten-Lösung zu prüfen“.

Das britische Parlament hatte auf Initiative der Regierung Ruanda zum sicheren Herkunftsland erklärt, um das Abkommen mit Kigali zu schließen. Das vergangene Woche verabschiedete Gesetz sieht außerdem vor, Teile des britischen Menschenrechtsgesetzes nicht auf Abschiebungen anzuwenden, um den Rechtsweg für Migranten einzuschränken. Kritiker sehen in dem Vorgehen Londons einen Verstoß gegen internationales Recht.

Ruandas Außenminister Vincent Biruta verteidigte das Modell. Er zeigte sich nach dem Treffen mit Baerbock offen dafür, die bislang auf Großbritannien beschränkte Asylzusammenarbeit auf andere Länder auszuweiten.

Auf die Frage, ob Ruanda zu einer solchen Zusammenarbeit auch mit Deutschland bereit wäre, sagte Biruta: „Ruanda ist bereit, mit jedem Partner zusammenzuarbeiten, um die globale Migrationskrise zu lösen.“ Kritik an dem Abkommen mit Großbritannien bezeichnete er als „unfair für Ruanda“. „Das globale Migrationssystem funktioniert nicht“, sagte er.
© AFP

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