Politiker der Regierungsparteien haben sich offen für Pläne gezeigt, wegen der Personalknappheit bei der Bundeswehr auch Soldatinnen und Soldaten ohne deutschen Pass aufzunehmen. Deutschland müsse bei der Rekrutierung „deutlich europäischer denken“, sagte die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses im Bundestag, Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP), der „Rheinischen Post“ vom Montag. Dazu gehöre die Überlegung, „dass Soldaten und Soldatinnen ohne deutschen Pass diesen durch den erfolgreichen Dienst in der Bundeswehr schneller bekommen können.“ Kritik kam indes von AfD und Linkspartei.
Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) hatte zuletzt eine Öffnung der Truppe für Soldatinnen und Soldaten ohne deutschen Pass ins Spiel gebracht. „Wir wären nicht die ersten Streitkräfte in Europa, die das tun würden“, sagte er dem „Tagesspiegel“ vom Freitag. Es gebe Menschen im Land, die in zweiter oder dritter Generation in Deutschland lebten, aber noch nicht die deutsche Staatsangehörigkeit hätten. Der Minister betonte: „Wir widmen uns diesem Thema mit der gebotenen Gründlichkeit, stehen aber noch am Anfang.“
Grünen-Chefin Ricarda Lang nannte es am Montag „sehr richtig, dass Boris Pistorius die Debatte darüber weiterführt, wie wir unsere Armee zukunftsfähig aufstellen können“. Da werde auch die Frage nach Soldatinnen und Soldaten ohne deutschen Pass eine Rolle spielen. „Das müssen wir jetzt miteinander diskutieren“, sagte Lang.
Der Unionsverteidigungspolitiker Johann Wadephul (CDU) zeigte sich ebenfalls grundsätzlich offen. Zugleich warf er diverse Fragen auf, die Pistorius beantworten müsse. „Grundsätzlich ist diese Idee richtig, doch zentral ist die Ausgestaltung“, sagte Wadephul der „Rheinischen Post“. „Gilt diese Möglichkeit nur für Bürgerinnen und Bürger von EU- oder Nato-Staaten oder auch noch darüber hinaus? Ist die vollständige Kenntnis der deutschen Sprache nötig?“
Das Thema Personal stehe „im ganz besonderen Fokus“ des Ministers, sagte eine Sprecherin des Verteidigungsministeriums am Montag in Berlin. Es sei kein Geheimnis, dass die Bundeswehr im Wettbewerb mit anderen öffentlichen und zivilen Arbeitgebern stehe. In diesem Zusammenhang werde auch darüber nachgedacht, wie in Zukunft mit Ausländern in den Streitkräften umzugehen sei.
Die Vertreterin des Ministeriums sprach von einer „ergebnisoffen Diskussion“. Es gehe jedoch nicht darum, „Lücken mit Ausländern zu besetzen“. Die Sprecherin ergänzte, dass die Bundeswehr auch schon jetzt in Ausnahmefällen EU-Bürger zulasse.
Kritik an dem Vorstoß kam von der AfD. Deutschland brauche im Ernstfall Soldaten, „die aus Überzeugung ihre Heimat mit ihrem Leben verteidigen“, erklärte der verteidigungspolitische Sprecher der AfD-Bundestagsfraktion, Rüdiger Lucassen. „Gerade in der Ukraine sieht man, wie wichtig diese Bindung zum Land ist“. Die Personalprobleme der Bundeswehr könnten nicht dadurch gelöst werden, „dass sie zur Söldner-Armee wird“, ergänzte Lucassen.
Linken-Chef Martin Schirdewan nannte die Pläne eine „Schnapsidee“. Er habe den Eindruck, „dass man von der gesellschaftlichen Misere und dem Rechtsruck versucht abzuweichen, indem man immer schrillere Forderungen im Bereich Militär und Aufrüstung formuliert“, sagte Schirdewan.
Wie auch viele Bereiche der Wirtschaft leidet die Bundeswehr unter einem akuten Bewerbermangel. Pistorius lässt derzeit prüfen, ob das vor seiner Amtszeit festgelegte Ziel einer Sollstärke von 203.000 Soldatinnen und Soldaten weiter Bestand haben wird. Derzeit sind es gut 181.600. Hinzu kommen rund 81.600 zivile Beschäftigte. Diskutiert wird in diesem Zusammenhang auch eine Rückkehr zur Wehrpflicht.
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