Die Aufarbeitung von „Euthanasie“-Verbrechen und Zwangssterilisationen in der NS-Zeit soll intensiviert werden. Dafür sprechen sich die Ampel-Fraktionen und CDU/CSU in einem gemeinsamen Antrag aus, der am Donnerstag im Bundestag beraten wurde. Die Fraktionen fordern die Bundesregierung darin auf, ein Projekt zu initiieren, um bundesweit Patientenakten und Personalunterlagen der Täter zu lokalisieren und zu sichern. Ziel ist die Nutzung der Dokumente für Forschung und Bildung.
An dem Projekt sollen unter anderem die Gedenkstätten an den Orten ehemaliger „Euthanasie“-Tötungsanstalten und Verbände von Menschen mit Behinderungen beteiligt werden. Die Fraktionen fordern die Bundesregierung zudem auf, eine Fachtagung zu organisieren und die Gedenkstätten auch in Zukunft nachhaltig zu unterstützen.
Der Begriff „Euthanasie“ bedeutet eigentlich „angenehmer Tod“, wurde von den Nationalsozialisten aber als euphemistische Bezeichnung für die systematische Ermordung von kranken und behinderten Menschen missbraucht. Schätzungen zufolge wurden 300.000 Menschen ermordet, weil sie im Sinne der nationalsozialistischen „Rassenhygiene“ als „lebensunwert“ galten; weitere 400.000 wurden unter Zwang sterilisiert.
Erinnerung und Gedenken an die Opfer von NS-„Euthanasie“ und Zwangssterilisation hätten in Deutschland erst spät eingesetzt, heißt es in dem Antrag. Seit den 1970er Jahren werde verstärkt über Opfer und Täter geforscht. Dennoch seien „weder die genauen Abläufe der Mordaktionen noch die zahlenmäßige Dimension der Verbrechen hinreichend untersucht“. Zudem fehle ein koordinierter Zugriff auf die in ganz Deutschland und teilweise im Ausland in diversen Archiven existierenden Akten.
Die Vorlage der Fraktionen soll nun im Ausschuss für Kultur und Medien weiter beraten werden. Kritik kam von der Linken im Bundestag. „Die Linke wird ausgegrenzt und wurde erst gar nicht gefragt, ob sie einen interfraktionellen Antrag mittragen will“, erklärten der Abgeordnete Jan Korte und Bundestagsvizepräsidentin Petra Pau (beide Linke). Sie bezeichneten den Inhalt des Antrags als „eine Zumutung“. Der Antrag sei ohne die Expertise unter anderem von Opferverbänden und betroffenen Familien „zusammengeklöppelt“ worden.
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