Nach neunjähriger Pause ist erstmals wieder ein Nachtzug zwischen Berlin und Paris gestartet: „Der Nachtzug steht für klimafreundliches Reisen und ein vernetztes, grenzenloses Europa“, sagte Deutsche-Bahn-Chef Richard Lutz vor der Abfahrt vom Berliner Hauptbahnhof am Montagabend. Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) sprach von einer „neuen Ära der Nachtzugallianz“. Derartige Verbindungen erlebten „eine Renaissance“. In diesem Jahr seien bereits mehr als 7000 Nachtzüge durch Deutschland gefahren.
Die neue Verbindung nach Paris biete ein neues Reiseerlebnis: „Abends Currywurst, morgens Croissant“, sagte Wissing und wünschte seinem Amtskollegen Clément Beaune, der in den Zug einstieg, „Bon voyage à Paris“. „Es ist ein starkes, nachhaltiges Symbol für die deutsch-französischen Beziehungen“, meinte die 21-jährige Annika Volz, eine der Juniorbotschafterinnen und Juniorbotschafter des Deutsch-Französischen Jugendwerks, die zu der Jungfernfahrt eingeladen waren.
„Ich finde es toll, dass man herumgefahren wird und morgens in Paris aufwacht“, sagte sie. Man spare sich eine Nacht im Hotel. Die beengten Sechser-Abteile schrecken sie nicht ab. „Im Flugzeug ist es auch eng“, sagte sie.
Zur Abfahrt des Zuges hatten sich mehrere Klimaschutz-Demonstranten auf dem Bahnsteig versammelt. „Keine Flüge – Mehr (Nacht)züge“ war auf einem der Transparente zu lesen. Nachtzüge gelten als eine klimafreundliche Alternative zu innereuropäischen Flügen, da der CO2-Ausstoß pro Person um ein Vielfaches geringer ist als bei einer Flugreise.
Die Liegewagen des neuen Nachtzugs sind alte deutsche Waggons, die die österreichische Bahn (ÖBB) von der DB aufgekauft hatte. „Anfangs wurden wir belächelt, (…) aber der Erfolg gibt uns Recht“, sagte ÖBB-Chef Andreas Matthä. Die alten Waggons sind modernisiert worden, aber einige Details sind im Original erhalten, etwa die Schalter für die Licht- und Lautstärkeregelung. Die ÖBB hat inzwischen auch moderne Waggons von Siemens entwickeln lassen, die zunächst auf der Strecke zwischen Wien und Hamburg eingesetzt werden sollen.
Zunächst fährt der Zug vom Typ Nightjet drei Mal pro Woche, montags, mittwochs und freitags von Berlin aus und dienstags, donnerstags und samstags von Paris aus. Die Ankunftszeit am Pariser Ostbahnhof ist jeweils 10.24 Uhr, was für Geschäftsreisende nicht sehr attraktiv sein dürfte. Reisende, die ein Wochenende in Paris verbringen wollen, müssen entweder schon am Samstagabend zurückfahren oder noch bis Dienstagabend bleiben. Von Oktober 2024 an soll der Nachtzug an jedem Wochentag fahren.
Die günstigsten Sitzplätze kosten knapp 35 Euro. Plätze in Sechser-Liegewagen sind ab knapp 50 Euro zu haben. Im Schlafwagen, in dem es bis zu drei Betten sowie eine Dusche und Frühstück gibt, kosten die günstigsten Plätze knapp 80 Euro.
Der Zug hält in Halle, Erfurt, Frankfurt und Straßburg. In Mannheim wird er mit einem aus Wien kommenden Nachtzug gekoppelt. Mit der geplanten Direktverbindung zwischen Paris und Berlin in sieben Stunden wird allerdings erst gegen Ende des kommenden Jahres gerechnet.
Bislang nutzen vor allem Klimaschützer, Bahn-Nostalgiker und Urlaubsreisende mit viel Zeit die neuen Nachtzüge. Ob sie rentabel sind, wird vor nicht nur von der Auslastung, sondern auch von den Preisen abhängen. Und diese konkurrieren nach wie vor mit denen der Billigflieger. Wer für wenig Geld Nachtzug fahren will, muss sehr früh ein Ticket kaufen.
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