Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) hat anlässlich des 75. Jahrestags des Grundgesetzes dazu aufgerufen, einem zunehmenden völkischen Denken mit Toleranz und Zusammenhalt entgegenzutreten. „Weil Menschlichkeit unteilbar ist“, sagte sie in einem am Mittwoch veröffentlichten Instagram-Video. „Weil Artikel eins unseres Grundgesetzes dazu verpflichtet und uns schützt.“ In Artikel eins heißt es: „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“ Sozialverbände forderten anlässlich des Jahrestags einen besseren Schutz der Grundrechte.
Das Grundgesetz bezeichnete Baerbock als eine Verfassung, „die genau jenes völkische Denken überwindet, das Europa an den Abgrund gebracht hat“. Dies müsse geschützt werden: „Es ist heute an jedem Einzelnen von uns, genau dieses Grundgesetz zu schützen – jeden einzelnen Tag.“
Die Außenministerin rief „alle als Verfassungspatrioten“ dazu auf „für das einstehen, was unser Land ausmacht“. Sie betont: „Für ein Deutschland, das Verantwortung für Frieden in Europa übernimmt. Für ein Deutschland, das auf Vielfalt baut. Für unsere europäische Demokratie.“
Baerbock nahm das Video vor dem Berliner Reichstag auf, „weil genau hier vor ein paar Wochen Zehntausende gezeigt haben, was uns als Gesellschaft stark macht: Zusammenhalt, Toleranz, das gemeinsame Ringen um das, was wir sein wollen“. Sie bezieht sich damit auf die Demonstration gegen Rechtsextremismus Anfang Februar. Es gehe darum, „Polarisierung und dem neuen Völkischen entgegenzutreten und stattdessen die Menschlichkeit zu sehen“, betonte die Grünen-Politikerin.
In einer gemeinsamen Erklärung fordern die Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände sowie der Deutsche Gewerkschaftsbund das Zusammenstehen aller Demokratinnen und Demokraten. „In Zeiten, in denen Populisten und Extremisten die Demokratie angreifen und das Vertrauen in unser politisches System zu untergraben versuchen, müssen wir Flagge zeigen“, heißt es in dem Statement. „Wir tun dies mit großer Überzeugung gemeinsam.“
Beamtenbund-Chef Ulrich Silberbach rief alle demokratischen Kräfte auf, den Dialog zu suchen und Kompromisse zu finden. „Ob zwischen Regierung und Opposition, Stadt und Land oder Arbeitgebern und Gewerkschaften; ob bei Politikfeldern wie Klimaschutz, Wirtschaft oder Verkehr. Überall gilt: Unterschiedliche Positionen und ein Ringen um die beste Position gab es schon immer.“ Heute würden die Konflikte jedoch „immer unversöhnlicher ausgetragen“, monierte Silberbach.
Mehrere Kinderschutzvereine sprachen sich derweil für einen besseren Schutz von Kinderrechten aus. Die UN-Kinderrechtskonvention gelte in Deutschland seit 1992, erklärte Sabine Andresen, Präsidentin des Kinderschutzbundes. „Trotzdem werden die Rechte von Kindern und Jugendlichen bei vielen wichtigen Entscheidungen von Politik, Verwaltung und Rechtsprechung zu wenig berücksichtigt.“ Thomas Krüger, Präsident des Deutschen Kinderhilfswerks, fügte hinzu: „Bundestag und Bundesrat müssen endlich mit der Verankerung der Kinderrechte im Grundgesetz einen großen Schritt für eine kinderfreundlichere Gesellschaft machen.“
Die Flüchtlingsorganisation Pro Asyl ruft zum besseren Schutz der Menschenwürde und des Asylrechts auf. „Nie wieder sollte die staatliche Gewalt in Deutschland Menschen ihrer Würde berauben“, heißt es in einem Aufruf, den Pro Asyl mit sechs weiteren Organisationen unterschrieben hat. „Und nie wieder sollten diejenigen, die aus ihrem Land flüchten müssen, vor verschlossenen Grenzen stehen.“
Die Vorsitzenden der Linken im Bundestag, Heidi Reichinnek und Sören Pellmann, forderten eine Volksabstimmung über eine „gemeinsame Deutsche Verfassung“. Mit einer neuen Verfassung solle „das Rad nicht neu erfunden werden“, erklärten sie. „Jedoch sollten weitere soziale Grundrechte, wie ein Recht auf eine Wohnung, das Recht auf Arbeit oder auch die Möglichkeit zu Volksentscheiden auf Bundesebene ergänzt werden.“
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