Interkultureller Frauentreff „Blickpunkt Frauen“ in Würzburg

Seit März 2022 gibt es in Würzburg den Frauentreff "Blickpunkt Frauen", den der Fachbereich Integration ins Leben gerufen hat und der vom Bayerischen Staatsministerium des Innern gefördert wird. Ziel ist die Sichtbarmachung und Stärkung von Frauen aller Kulturen.

Würzburg – Sie heißen Oksana, Adjam, Fariba oder Hassiba und treffen sich mehr oder minder regelmäßig am Heuchelhof jeden Dienstagmorgen im Café Mittendrin. Zusammengebracht hat sie die Diplom-Sozialpädagogin Heike Mix von der städtischen Fachabteilung Integration unter dem Titel „Blickpunkt-Frauen“. Das Besondere: Der Treff bildet die Buntheit des Heuchelhofs ab, an dem 81 Nationen leben, und bringt die Frauen zusammen – dem Untertitel des Projekts entsprechend: zum Austausch von Perspektiven.

Aus neun Nationen stammen ursprünglich die 15, 16 Frauen, die sich hier treffen: aus Somalia, Iran, Irak, Afghanistan, Ägypten, Russland, Ukraine, Syrien, Pakistan. Ab und an schaut eine deutsche Seniorin vorbei, die seit über 40 Jahren „total glücklich und zufrieden“ am Heuchelhof lebt und spricht sogleich sehr vertraut mit Fariba. Welche Tipps werden da getauscht? Im Café Mittendrin sitzen sie an einem Tisch, helfen sich gegenseitig und sprechen über die Schwierigkeiten, die sie im – nach zehn Jahren immer noch fremden Land – haben. „Ich kann nicht gut Deutsch“, sagt Oksana aus Russland zu Sahar aus Afghanistan. „Ich auch nicht“, meint Sahar – und dann lachen erst einmal beide. Deutschkurse möchten sie besuchen, Fariba möchte ein B1-Sprachzertifikat. Sie lebt seit 13 Jahren in Deutschland mit Mann und vier Kindern, die ins Gymnasium gehen. Weil ihr Mann arbeitet und für die sechs Personen den Lebensunterhalt verdient, bezahlt der Staat Fariba aber keinen Deutschkurs. Oksana besuchte den Pflegekurs 2022 am Heuchelhof, da sie die Eltern pflegte und bekam dort nicht nur das Rüstzeug für pflegende Angehörige mit, sondern auch Kontakt zu Heike Mix, die sie in den Frauentreff „Blickpunkt“ einlud. Hassiba war Teilnehmerin der „Mother Schools“, nun leitet sie selbst eine Sprachgruppe für Frauen in der Lindleinsmühle. Neben den Gesprächen, die sich um Alltagsfragen drehen, die alle hier haben, setzt die Projektleiterin bei den Treffen immer wieder ganz gezielt Themen wie Werte, Erziehung, Demokratie. Anhand von leicht verständlichen Arbeitsunterlagen der Bundeszentrale für politische Bildung diskutieren die Frauen beispielsweise darüber, was Demokratie für sie bedeutet. Oder wie Demokratie funktioniert. Aber alles ganz einfach und ohne erhobenen Zeigefinger. Für die Sommerferien denkt sich die Diplom-Sozialpädagogin Heike Mix für die Frauen mit ihren Kindern besondere Programme aus. 20 Frauen, 60 Kinder bringt sie dann mit Fitness am Morgen, Erziehungstipps wie Push & Pull, Waldausflug oder Museumsbesuch unter einen Hut. „Der Frauentreff ist auch Teil des starken Netzwerks am Heuchelhof“, erklärt Christine Blum-Köhler, Leiterin der Fachabteilung Integration. „Quartiersmanagement, ASD, PIA (Perspektive Integration durch Arbeit), Familienstützpunkt, Spielhaus Heuchelhof, Erziehungs- und Familienberatungsstelle und weitere Akteurinnen und Akteure im Sozialraum mehr: Wer Fragen zu einem bestimmten Thema hat oder einen bestimmten Kurs für sich oder seine Kinder sucht, wird auf kurzem Weg zum richtigen Ansprechpartner geleitet.“

Der Frauentreff funktioniert spielerisch und integriert tatsächlich, er erscheint wie ein gemaltes Bild der Harmonie. Aber warum ist das so und was suchen und finden die Frauen bei diesen Treffen – trotz anfänglicher Vorbehalte? „Ja, ich habe Familie hier“, sagt Oksana, die früher Angst hatte, Deutsch zu sprechen. „Trotzdem bin ich alleine und wenn ich jetzt über den Marktplatz am Heuchelhof laufe, dann sehe ich überall Frauen, die ich kenne und die mich kennen und wir rufen uns zu und freuen uns, dass wir uns sehen.“ „Ich will gerne andere Frauen kennenlernen“, sagt auch Adjam aus Eritrea, „Kontakte haben und Deutsch sprechen.“ Dass ein kluges Programm hinter dem Projekt steckt, merkt man nicht auf den ersten Blick. Aber wenn eine Ukrainerin mit einer Russin möglicherweise bei einem dieser Gespräche beginnt über den Ukrainekrieg zu politisieren, dann hat dies bei den Treffen im Café Mittendrin nichts zu suchen. „Wir sind hier international, das mache ich jeder Teilnehmerin von Anfang an ganz deutlich. Wir korrigieren nicht und suchen die gemeinsame Basis, nämlich das Verständnis für die andere Frau“, sagt Heike Mix. Und so kommen sie immer wieder und die Ukrainerin sitzt neben der Russin, auf der anderen Seite die Somalierin und die Afghanin. „Das Projekt unterstützt dabei, dass die Frauen selbstverständlich und bewusst am gesellschaftlichen Leben teilhaben und dass sie über Religion und Herkunft hinweg ins Gespräch kommen“, erklärt die Projektleiterin. So entdecken die Frauen Gemeinsamkeiten und entwickeln selbst ihr Lebensumfeld, sie verkaufen syrisches Gebäck bei der Maibaumaufstellung, sie verteilen Rosen an alle Frauen auf dem Heuchelhofer Marktplatz am Frauentag, sie nehmen am Stadtteilfest teil und sammeln Geld für die Opfer des Erdbebens in der Türkei und Syrien. Am wichtigsten aber, und das ist wohl der Schlüssel zum Erfolg: Alle fühlen sich angenommen, so wie sie sind.

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