Vorwürfe gegen die AfD-Spitzenkandidaten Maximilian Krah und Petr Bystron haben die Auftaktveranstaltung zum Europa-Wahlkampf der Partei überschattet. Unmittelbar vor der Kundgebung am Samstag in Donaueschingen tauchten neue Berichte auf, die Krah in der Spionageaffäre um einen seiner engsten Mitarbeiter zusätzlich belasten. Demnach soll das Büro des Europaparlamentariers mehrfach geheime Dokumente des Parlaments über die EU-Außenwirtschaft abgerufen haben.
Parteichef Tino Chrupalla kündigte in seiner Rede in Donaueschingen ein entschlossenes Vorgehen der Partei in diesem Zusammenhang an. „Wir werden darauf achten, dass Meinungen und Positionen in der AfD niemals käuflich sein werden“, sagte Chrupalla. „Wer nachweislich käuflich ist, der muss auch gehen“, sagte Chrupalla, fügte aber hinzu: „Es muss auch bewiesen und nachgewiesen werden.“
Krahs Mitarbeiter Jian G. befindet sich wegen des Vorwurfs der Spionage für China in Untersuchungshaft. Gegen den Politiker selbst laufen Vorermittlungen der Generalstaatsanwaltschaft Dresden wegen möglicher Geldzahlungen aus russischen und chinesischen Quellen. Er will dennoch Spitzenkandidat bleiben, nahm an der Veranstaltung in Donaueschingen aber nicht teil – ebensowenig wie der Listenzweite Petr Bystron. Diesem wird eine Annahme von Geldern aus Russland vorgeworfen.
Über das Abrufen der Geheimdokumente berichtete am Freitagabend der „Spiegel“. Das Magazin berief sich auf eine interne Untersuchung des Handelsausschusses des EU-Parlaments. Demnach habe Krahs Büro mehrfach Dokumente angefordert, die als „sensibel“ oder „gesperrt“ eingestuft waren.
Inhalt der Dokumente waren laut „Spiegel“ unter anderem Analysen der Außenhandelsstrategien von Partnerstaaten oder Dokumente über den Verlauf von Handelsgesprächen. Ob Krah selbst oder einer seiner Mitarbeitenden – möglicherweise Jian G. – die Dokumente angefordert hatten, blieb zunächst offen.
Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) verurteilte die Spionage im EU-Parlament scharf. In der „Bild am Sonntag“ sprach sie von einem „Angriff von innen auf die europäische Demokratie“. Zu den Russland-Kontakten von AfD-Politikern sagte sie: „Die Putin-Freunde der AfD verachten und verraten unser Land. Sie lassen sich einspannen für die Lügen und Kriegspropaganda des russischen Verbrecher-Regimes.“
Chrupalla sprach in seiner Rede von einem „Sturmfeuer“, dem die AfD ausgesetzt sei. Es sei „abenteuerlich, mit welchen Mitteln die Partei zersetzt werden“ solle. Am Ende werde die AfD aber gestärkt aus diesem „Politthriller“ hervorgehen, sagte Chrupalla und bedankte sich bei dem Spitzenkandidaten Krah. Dieser habe mit seiner Entscheidung, nicht am Wahlkampfauftakt teilzunehmen, das Signal gesendet: „Es soll heute nicht um Krah, Krah, Krah gehen, sondern um die AfD“.
Krah hatte sich Mitte der Woche mit dem Parteivorstand getroffen, um über seine Rolle im Wahlkampf zu sprechen. Er sei mit der Parteiführung übereingekommen, dass er am Samstag beim Wahlkampfauftakt nicht dabei sein werde, „aber ich bin und bleibe Spitzenkandidat“, sagte Krah nach dem Treffen.
SPD-Chef Lars Klingbeil sagte beim Wahlkampfauftakt der Sozialdemokraten am Samstag in Hamburg, die AfD verstecke ihren Spitzenkandidaten. „Wir wissen jetzt, warum die gegen den Euro sind: die sind für den Rubel“, sagte Klingbeil. AfD-Politiker seien „keine Vertreter unserer Interessen“, sondern stünden für die Interessen Russlands und Chinas ein. Von „Vaterlandsverrätern“ und „Kremlknechten“ sprach in München CSU-Chef Markus Söder.
Die AfD tritt mit einer Liste von 35 Kandidatinnen und Kandidaten zur Europawahl am 9. Juni an. Änderungen an der Liste sind de facto nicht mehr möglich. In ihrem Wahlprogramm tritt die AfD für einen „Bund europäischer Nationen“ ein. Die EU hält sie für „nicht reformierbar“ und ein „gescheitertes Projekt“.
Co-Parteichefin Alice Weidel kritisierte in ihrer Rede in Donaueschingen die Bundesregierung scharf. Weidel sprach von „geballter Inkompetenz und Unverantwortlichkeit“. Sie kritisierte auch erneut die Waffenlieferungen an die Ukraine.
Vor Beginn des Wahlkampfauftakts gab es in Donaueschingen Protestaktionen gegen die AfD. Dabei trat auch ein Demonstrant mit einer Krah-Maske auf. „Für die Demokratie und gegen braunen Sumpf“ stand auf einem Transparent.
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