Porsche will DAC-Technologie weiterentwickeln

Porsche hält das Direct-Air-Capture-Verfahren (DAC) für eine relevante Zukunftstechnologie auf der Schwelle zur Serienentwicklung.

Stuttgart – Indem Kohlendioxid (CO₂) in größeren Mengen umweltfreundlich aus der Atmosphäre gewonnen wird, kann die Technologie einen signifikanten Beitrag im Einsatz gegen den Klimawandel leisten. Zusammen mit der Volkswagen Group Innovation, dem eFuels-Unternehmen HIF Global und MAN Energy Solutions denkt der Sportwagenhersteller über die Integration einer DAC-Anlage in der eFuels-Pilotanlage in Chile nach. Dort könnte diese das für die eFuel-Herstellung im Pilotwerk „Haru Oni“ benötigte CO₂ aus der Luft filtern. Wie DAC zu Porsche passt und wie die Anlage im Detail funktionieren könnte, zeigen die Projektpartner auf dem IAA Summit auf dem Münchner Messegelände (Halle B2, Stand des Volkswagen Konzerns).

„Um die globale Erwärmung zu verlangsamen, müssen die Emissionen reduziert und CO₂ aus der Atmosphäre entfernt werden. Gleichzeitig benötigen wir in vielen Herstellungsprozessen CO₂ als Rohstoff. Warum also nicht beides miteinander verbinden? Daran arbeiten wir. Wir wollen ein industrielles Direct-Air-Capture-Verfahren, kurz DAC, zur Serienreife bringen“, sagt Michael Steiner, Forschungs- und Entwicklungsvorstand der Porsche AG. „Gemeinsam mit dem erfahrenen Team der Volkswagen Group Innovation, unserem etablierten eFuels-Partner HIF Global und MAN Energy Solutions denken wir über die Integration einer DAC-Pilotanlage im eFuels-Werk in Chile nach. Wir halten die DAC-Technologie für zukunftsträchtig, weil sich mit ihrer Hilfe die für die Herstellung vieler Produkte benötigten Kohlenstoff-Moleküle auf nachhaltige Weise gewinnen lassen. Deshalb arbeiten wir daran, sie auf einen höheren Reifegrad zu bringen.“

„DAC ist aus unserer Sicht eine relevante Technologie für die Zukunft – für die Energiegewinnung und erst recht für das Klima“, betont Barbara Frenkel, Vorständin für Beschaffung bei Porsche. „Reines CO₂ lässt sich industriell weiterverwerten oder dauerhaft im Boden speichern. Außerdem können damit eFuels hergestellt werden – das planen wir im ersten Schritt. eFuels stellen eine sinnvolle Ergänzung der Elektromobilität dar, da weltweit auch in den nächsten Jahrzehnten noch sehr viele Autos mit Verbrennungsmotoren fahren werden.“

Ein großer Vorteil des DAC-Verfahrens ist, dass sich das CO₂ überall dort gewinnen lässt, wo die für den Betrieb erforderliche Energie aus erneuerbaren Quellen stammt. Zudem ist die Technologie skalierbar. Der Strom für das Filtersystem könnte im eFuel-Pilotwerk „Haru Oni“ mittels Windkraft erzeugt werden, würde also aus einer regenerativen Energiequelle stammen. Die benötigte Wärme ließe sich mit Hilfe der in der eFuels-Anlage realisierten Wasserstofferzeugung bereitstellen.

Porsche nutzt die Expertise seiner Partner Volkswagen Group Innovation, HIF Global und MAN Energy Solutions. „Die Volkswagen Group hat die Entnahme von CO₂ aus der Atmosphäre bereits 2019 als zukunftsrelevantes Themenfeld identifiziert. Seither haben wir das Konzept mit internationalen Partnern aus Wissenschaft und Industrie intensiv hinsichtlich geeigneter Technologien und Wirtschaftlichkeit untersucht“, sagt Nikolai Ardey, Leiter der Volkswagen Group Innovation. „Unsere Forschungsarbeiten haben gezeigt, dass ein skalierbares und kommerziell wettbewerbsfähiges Direct-Air-Capture-Verfahren möglich ist. Gemeinsam mit Porsche und weiteren Partnern wollen wir nun eine prototypische Anlage aufbauen und in einem Gesamtkonzept testen. Wir freuen uns schon jetzt auf eine mögliche Umsetzung dieses zukunftsweisenden Projekts in Chile.“

„Wir warten nicht darauf, dass Lösungen zu uns kommen. Wir finden sie und gehen voran“, sagt César Norton, Präsident und CEO von HIF Global. „Dass eFuels eine echte Lösung für die Dekarbonisierung des Transportwesens sein können, haben wir bewiesen. Indem wir mit der Direct-Air-Capture-Technologie Pionierarbeit leisten, gehen wir noch einen Schritt weiter. Wir wollen eine effiziente und kostengünstige CO₂-Abscheidung ermöglichen – die Zukunft des CO₂-Recyclings.Wir freuen uns sehr, mit Porsche zusammenzuarbeiten, um diese Anlage künftig in unserem Werk in Chile betreiben zu können und damit aktiv etwas gegen den Klimawandel zu tun.“

So funktioniert das Direct-Air-Capture-Verfahren (DAC)

Um CO₂ aus der Atmosphäre zu gewinnen, wird die Umgebungsluft zunächst von groben Schmutzpartikeln befreit und durch ein kieselähnliches Filtermaterial geleitet. Das dort angelagerte CO₂ wird anschließend aus dem Material herausgelöst und für die weitere Verwendung als Rohstoff in hochreiner Form in Tanks gesammelt. Wasser, das als Nebenprodukt entstehen kann, wird ausgeleitet.

Dieses von der Atmosphäre abgeschiedene CO₂ lässt sich in einer Kreislaufwirtschaft verschiedentlich weiterverwenden. Perspektivisch kann es beispielsweise als Rohstoff für die Herstellung nicht-fossiler Kunststoffe genutzt werden. So wird CO₂ langfristig gebunden. Auch vollsynthetische Kraftstoffe, sogenannte eFuels, lassen sich damit herstellen. Porsche und HIF Global prüfen, ob und wie mittels DAC gewonnenes CO₂ in der eFuel-Anlage „Haru Oni“ im chilenischen Punta Arenas eingesetzt werden kann: Dort wird CO₂ mit Wasserstoff zu Methanol verbunden. In einem abschließenden Verfahren entsteht daraus synthetischer Kraftstoff. Bisher wird das CO₂ für „Haru Oni“ aus einer biogenen Quelle bezogen. Alternativ zur Herstellung nicht-fossiler Produkte (CCU = Carbon Capture and Utilization) kann das CO₂ permanent der Atmosphäre entnommen und langfristig gespeichert werden (CCS = Carbon Capture and Storage).

Möglicher Nutzer des DAC-CO₂: die eFuel-Pilotanlage „Haru Oni“

Im Dezember 2022 hat das eFuel-Unternehmen HIF Global, an dem Porsche beteiligt ist, in der „Haru Oni“-Pilotanlage in Punta Arenas (Chile) mit der industriellen Produktion von synthetischem Kraftstoff begonnen. eFuels erlauben einen potenziell nahezu CO₂-neutralen Betrieb von Ottomotoren. Dies gilt immer dann, wenn sie aus regenerativen Energiequellen, regenerativ erzeugtem CO₂ und aus Wasser gewonnenem Wasserstoff hergestellt werden.

In der Pilotphase der Anlage ist eine eFuels-Produktion von bis zu 130.000 Litern pro Jahr vorgesehen. Der Kraftstoff soll zunächst in Leuchtturm-Projekten wie dem Porsche Mobil 1 Supercup und in den Porsche Experience Centern eingesetzt werden. In der Nähe der Pilotanlage sollen in Chile Großanlagen entstehen, um die Produktion von eFuels sukzessive weiter auszubauen.

Der Süden Chiles bietet ideale Bedingungen für die Produktion von eFuels: Dort weht der Wind an rund 270 Tagen im Jahr so, dass Windräder in Volllast laufen können. Zudem liegt Punta Arenas in unmittelbarer Nähe der Magellanstraße. Von dort aus lässt sich der synthetische eFuel analog zu herkömmlichen Kraftstoffen über die bestehende Infrastruktur verteilen.

Synthetische Kraftstoffe können die Elektromobilität sinnvoll ergänzen. Insgesamt hat Porsche bislang über 100 Millionen US-Dollar in die Entwicklung und Bereitstellung von eFuels investiert. Allein 75 Millionen Dollar davon flossen im April 2022 in eine Beteiligung an der HIF Global LLC. Diese plant, baut und betreibt eFuel-Anlagen in Chile, Uruguay, den USA und Australien.

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