Indem Lindner im Mai und Juni 2024 kurz vor der Europawahl mit Steuergeld zwei Anzeigen in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ geschaltet habe, sei das Recht der Linken auf gleiche Chancen im Parteienwettbewerb verletzt worden, heißt es in der Klageschrift, die der Nachrichtenagentur AFP am Freitag vorlag. Zuerst hatte der „Spiegel“ berichtet.
Die Klage wurde am 21. August eingereicht. Die Linke argumentiert darin, es habe sich bei den Inseraten nicht bloß um Informations- und Öffentlichkeitsarbeit, sondern um versteckte Wahlwerbung für die FDP vor der Europawahl am 9. Juni gehandelt.
Mit der rund 38.000 Euro teuren Werbekampagne habe Lindner gegen die Neutralitätspflicht eines Bundesministers verstoßen. Linken-Chef Martin Schirdewan sagte dem „Spiegel“: „Im Raum steht der Verdacht des Amtsmissbrauchs und des Missbrauchs von Steuergeldern. So ein Verhalten muss Konsequenzen haben“.
Die Anzeigen waren anlässlich des 15-jährigen Bestehens der Schuldenbremse geschaltet worden. Bereits kurz nach der Veröffentlichung hatte es Kritik an der Kampagne gegeben. Im Mai wies das Finanzministerium den Verdacht zurück, mit der Kampagne Wahlkampf gemacht zu haben. Es handle sich bei der Schuldenbremse nicht um eine politisch strittige Haltung, sondern sie genieße Verfassungsrang. Die Linke widersprach der Behauptung nun in ihrer Klage, dass die Schuldenbremse politisch unstrittig sei.
Kern des Streits ist, ob das Ministerium seine Befugnisse überschritten hat. Ein Ministeriumssprecher sagte auf AFP-Anfrage: „Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts folgt dem grundgesetzlich verankerten Demokratieprinzip auch ein Auftrag der Bundesregierung, die Bürgerinnen und Bürger über ihre Tätigkeit, Vorhaben und Ziele zu informieren.“
Am 29. Mai 2024 habe sich der Bundestagsbeschluss zur Schuldenbremse zum 15. Mal gejährt. Auf diesen Jahrestag habe das Ministerium aufmerksam gemacht und „gleichzeitig die finanzpolitische Bedeutung des Instruments der Schuldenbremse im Kontext der Generationengerechtigkeit“ erklärt.
Die Linkspartei verweist dagegen in ihrer Klageschrift darauf, dass ein Ministerium zwar im Sinne ihrer Informations- und Öffentlichkeitsarbeit auch den Parteienwettbewerb beeinflussen dürfe, dabei aber an enge rechtliche Grenzen gebunden sei. Außerdem müssten sich staatliche Amtsträger im Hinblick auf den Parteienwettbewerb neutral verhalten. „Diese Bindung der Amtsausübung an Neutralitätspflichten beschränkt sich nicht nur auf Wahlkampfzeiten, sondern gilt generell“, heißt es in der Klageschrift.
Den einzelnen Ministern sei „verboten, Amtsressourcen einzusetzen, um gezielt auf die Öffentliche Wahrnehmung und damit auch auf den Parteienwettbewerb einzuwirken“. Andernfalls käme es „zu einem erheblichen Wettbewerbsnachteil für diejenigen Parteien, die selbst keine Amtsträger stellen“ und damit auch nicht auf Staatsgelder zugreifen könnten, heißt es in dem Schriftsatz.
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