Deutsche Politiker: Putins Geiseldiplomatie darf keine Schule machen

Deutsche Politiker warnen nach dem Gefangenenaustausch zwischen Russland und westlichen Staaten, dass Moskau weitere Erpressungsversuche mit politischen Geiseln unternehmen könnte.

Im Nachgang des Gefangenenaustauschs zwischen Russland und dem Westen warnen deutsche Politiker davor, dass diese Art Geiseldiplomatie Schule machen könnte. Präsident Wladimir Putin könnte gezielt weitere westliche Staatsbürger festnehmen lassen, um russische Häftlinge im Westen „freizupressen“, sagte der außenpolitische Sprecher der Unions-Fraktion, Jürgen Hardt, dem Berliner „Tagesspiegel“ (Samstag). UN-Experten gehen außerdem von bis zu 1400 weiteren politischen Gefangenen in Russland aus.

Der stellvertretende Vorsitzende der SPD-Fraktion, Dirk Wiese, warnte vor Reisen nach Russland und Belarus. „Konstruierte Vorwürfe und juristische Anschuldigungen wie zum Beispiel in Steuerstrafsachen sind keine Seltenheit“, sagte er dem „Tagesspiegel“. Russlands Präsident Wladimir Putin setze gezielt auch auf die Instrumentalisierung unschuldiger Menschen.

„Dieser Austausch von rechtsstaatlich verurteilten Straftätern auf westlicher Seite und politischen Geiseln auf der Seite Russlands und Belarus muss der letzte gewesen sein“, bekräftigte Hardt. „Jetzt muss die Bundesregierung geeignete Maßnahmen ergreifen, um das Geschäftsmodell Erpressung mit deutschen Staatsbürgern im Keim zu ersticken.“ Ausreisen nach Russland oder Belarus zu verhindern sei schwierig, aber es brauche „Aufklärung und verstärkte Kontrollen bei der Ausreise“.

An dem größten Gefangenenaustausch zwischen Russland und dem Westen seit dem Kalten Krieg waren außer Russland auch dessen Verbündeter Belarus sowie fünf westliche Staaten, darunter die USA und Deutschland, beteiligt. Russland und Belarus ließen 16 Gefangene frei, darunter russische Oppositionelle und westliche Staatsangehörige. Im Gegenzug konnten acht russische Häftlinge sowie zwei Minderjährige nach Russland zurückkehren, darunter auch der in Deutschland inhaftierte sogenannte Tiergarten-Mörder Vadim Krasikow. Im Westen war viel von russischer „Geiseldiplomatie“ die Rede.

Nach Angaben des Auswärtigen Amts sind in Russland allerdings weiterhin mindestens eine „niedrige zweistellige Anzahl an Personen“ mit deutscher Staatsbürgerschaft in Haft. Kontakt zu den Gefangenen gibt es demnach nicht. „Seit etwa zwei Jahren verweigern die russischen Behörden den direkten konsularischen Zugang in Form von Haftbesuchen zu deutsch-russischen Doppelstaatlern.“

Experten gehen außerdem von zahlreichen in Russland inhaftierten politischen Gefangenen aus. Sie seien „tief besorgt“ darüber, dass noch immer zwischen 700 und 1372 Menschen in Russland „aufgrund erfundener oder politisch motivierter Anschuldigungen“ inhaftiert seien, erklärten mehrere UN-Berater am Freitag. Alle in Scheinprozessen verurteilten Aktivisten, Journalisten und Kriegsgegner müssten „unverzüglich“ und „bedingungslos“ freigelassen werden.

Der Vorsitzende der Münchener Sicherheitskonferenz, Christoph Heusgen, sprach mit Blick auf Krasikow von einem „sehr, sehr hohen Preis“, der mit der „Freilassung eines solchen Terroristen“ gezahlt worden sei. Am Ende habe der Gefangenenaustausch aber auch das transatlantische Verhältnis gestärkt, denn weil Krasikow in Deutschland im Gefängnis saß, kam der Bundesrepublik eine Schlüsselrolle zu, sagte Heusgen dem WDR.

Für den ehemaligen außen- und sicherheitspolitischen Berater von Bundeskanzlerin Angela Merkel ist auch klar, dass die Rückführung von Krasikow für den Kreml von überragender Bedeutung war. Das sei Putin ein ganz großen Anliegen gewesen – „ohne ihn ging es nicht“.
© AFP

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