CDU-Chef Friedrich Merz hält den republikanischen US-Präsidentschaftsbewerber Donald Trump für besser vorbereitet für eine mögliche Amtsübernahme als vor seinem Wahlsieg vor acht Jahren. „Für Amerika ist das sicherlich eine gute Nachricht, für Deutschland ist das eine Herausforderung, für Europa auch“, sagte Merz am Freitag im Deutschlandfunk nach Trumps Abschlussrede auf dem Parteitag der Republikaner in Milwaukee.
„Es wird – wenn es zu der Präsidentschaft kommt – sicherlich mehr Protektionismus geben“, sagte Merz mit Blick auf einen möglichen Wiedereinzug Trumps ins Weiße Haus. „Amerika wird eigene Interessen stärker in den Vordergrund stellen und wird den Europäern sagen ‚Ihr müsst eure Interessen auch selbst wahrnehmen'“, sagte Merz weiter. Europa müsse daher „selbstbewusster werden, um die eigenen Interessen auf der Welt wahrzunehmen“. Merz fügte hinzu: „Die Luft wird rauer“
Der Unions-Fraktionschef im Bundestag verwies auf höhere Verteidigungsausgaben des Bundes, die die US-Regierung erwarte und die auch im Interesse Deutschlands seien. Auch wenn der demokratische Amtsinhaber Joe Biden die Präsidentschaftswahl im November gewönne, würde sich das transatlantische Verhältnis ändern, betonte Merz. „Da würde vielleicht der Ton unterschiedlich sein, aber in der Sache selber werden die Amerikaner uns sagen – wie schon seit vielen Jahren – ’nehmt endlich eure Interessen selbst wahr'“.
Unions-Vizefraktionschef Jens Spahn (CDU) lobte Trumps Positionen in der Außenpolitik. Spahn nannte im Mitteldeutschen Rundfunk (MDR) etwa die Haltung zur Eindämmung Chinas und zum Existenzrecht Israels. Der ehemalige Bundesgesundheitsminister ging auch auf Trumps angekündigte Friedensinitiative für die Ukraine ein. Er sagte, die Europäer müssten „Teil dieser Gespräche“ sein und dürften sich nicht mit der Zuschauerrolle zufrieden geben.
Spahn, der als Beobachter beim Republikaner-Parteitag war, betonte im Redaktionsnetzwerk Deutschland, dass Trump „außenpolitisch häufig richtig lag“. „Unsere Iran-Politik war im Rückblick falsch, seine war richtig. Unsere Politik bei Nord Stream 2 war falsch, er hat davor gewarnt.“ Trump fordere „seit vielen Jahren“, dass Europa mehr für seine Sicherheit tun müsse, sagte Spahn weiter. „Davor haben wir zu lange die Augen verschlossen. Erst der Ukraine-Krieg hat uns die Augen geöffnet.“
Spahn forderte im MDR die Bundesregierung auf, Gespräche mit Trump zu führen. „Ein deutscher Bundeskanzler muss in unserem nationalen Interesse einen guten Gesprächsfaden zu jedem amerikanischen Präsidenten haben.“ Trotzdem zeigte sich Spahn „irritiert“ von Trumps Wortwahl. Trump habe in Milwaukee von einer „Invasion der Migranten“ gesprochen. Hinzu komme, dass er den Sturm auf das Capitol nicht verurteile.
Der CSU-Landesgruppenchef im Bundestag, Alexander Dobrindt, sagte dem Magazin Politico, Trump werde „mit hoher Wahrscheinlichkeit der nächste Präsident“. „Das wird für uns eine größere Herausforderung, als die meisten in Deutschland und Europa bisher glauben wollen“, sagte Dobrindt weiter. „Europa muss aufwachen, sonst wird Trump uns nicht respektieren.“
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