Im Münchner Wirecard-Prozess hat der frühere Chefbuchhalter Stephan Freiherr von E. nach gut anderthalb Jahren Prozessdauer sein Schweigen beendet und Fehler in seiner Tätigkeit bei dem insolventen früheren Dax-Konzern eingeräumt. „Ich hatte sehr, sehr viele Themen auf dem Tisch und kam mir zeitweise vor wie ein Jongleur“, sagte von E. am Mittwoch vor dem Landgericht München I.
Inzwischen erkenne er, dass es wichtig gewesen wäre, innezuhalten. „Ich sehe, dass ich leider auch selbst Fehler gemacht habe, die ich bereue.“ Er habe sich aber in seinem ganzen Leben nie persönlich bereichert, sagte der 49-jährige von E..
Der seit Dezember 2022 laufende Prozess um die Milliardenpleite des früheren Dax-Konzerns versucht, einen der größten deutschen Wirtschaftsskandale aufzuarbeiten. Bei Wirecard hat es Scheingeschäfte in Milliardenhöhe gegeben. Hauptangeklagter ist der frühere Konzernchef Markus Braun, außerdem sind von E. und der als Kronzeuge der Anklage geltende frühere Asien-Manager Oliver B. vor Gericht. Der als möglicher Haupttäter geltende frühere Wirecard-Vorstand Jan Marsalek ist seit Juni 2020 flüchtig.
Von E. ist wegen Beihilfe zur unrichtigen Darstellung, gewerbs- und bandenmäßiger Marktmanipulation, Beihilfe zur Untreue und zum gewerbsmäßigen Bandenbetrug angeklagt. Das Gericht hatte ihm zuletzt angeboten, im Gegenzug für ein Geständnis die Strafe für ihn auf sechs Jahre bis maximal acht Jahre zu begrenzen.
Von E. will nun zwei Tage lang aussagen. Sein bisheriges Schweigen in dem Prozess erklärte er mit Misstrauen gegenüber der Staatsanwaltschaft und dem Gericht. „Ich habe den Eindruck gewonnen, dass entlastende Beweise nicht gewünscht waren.“
Der Finanzdienstleister und damalige Dax-Konzern Wirecard war 2020 Pleite gegangen, das Unternehmen hatte Scheingeschäfte in Milliardenhöhe gemacht. Kronzeuge B. hat umfassend gestanden. Braun hat ausgesagt, eine eigene Schuld aber bestritten – nun könnte von E. offene Fragen klären. Er will neben seiner eigenen Stellungnahme nach seinem langen Schweigen nun auch Fragen aller Prozessbeteiligten beantworten.
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