Für die Modernisierung des Schienennetzes in Deutschland sind in den kommenden Jahren dutzende Milliarden Euro nötig – Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) hat daher den Preis des Deutschlandtickets zur Diskussion gestellt. „Irgendwann muss die Politik entscheiden, ob wir eher in die Schiene investieren wollen oder ob der Preis von 49 Euro bleiben soll“, sagte er der „Welt am Sonntag“. Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) forderte ein 100-Milliarden-Euro-Sondervermögen.
Die Ampel-Koalition hat das notwendige Investitionsvolumen bei der Bahn auf 45 Milliarden Euro bis 2027 beziffert. Diese Summe wurde nach dem Haushaltsurteil des Bundesverfassungsgerichts im November auf 27 Milliarden Euro gekürzt – das Gericht hatte die Verschiebung nicht genutzter Corona-Kredite in den Klima- und Transformationsfonds für unzulässig erklärt; aus dem Fonds sollte auch zu gewichtigen Teilen die Sanierung der Bahn bezahlt werden. Kürzlich wurden zudem Überlegungen von Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) bekannt, den Etat für die Bahn um eine Milliarde zugunsten der Autobahn GmBH zu kürzen.
Der Vize-Vorsitzende der Unionsfraktion im Bundestag, Ulrich Lange (CSU), erklärte am Samstag: „Jetzt kommt es wahrscheinlich so, wie wir es beim 49-Euro-Ticket immer vorhergesagt haben. Das Geld, das in das übergünstige deutschlandweite ÖPNV-Ticket gesteckt wird, fehlt an anderen wichtigen Stellen wie bei der Schieneninfrastruktur.“ Es bringe überhaupt nichts, ein Ticket bereitzustellen, wenn die Schienen kaputt sind und die Züge nicht fahren, fuhr Lange fort. Gleiches gelte für die Straße. „Das alles zeigt, dass die Verkehrspolitik von Minister Wissing überhaupt nicht durchdacht ist.“
Bund und Länder haben jährlich jeweils 1,5 Milliarden Euro für das Deutschlandticket zugesagt. Bis zum Ende dieses Jahres ist der Preis von 49 Euro pro Monat garantiert. Anschließende Preiserhöhungen haben Bund und Länder nicht ausgeschlossen.
Thüringens Regierungschef Ramelow sagte dem „Spiegel“, die derzeitige Finanzierung der Deutschen Bahn sei eine „Strohfeuerpolitik“. „Mal hier ein paar Milliarden zu investieren, mal dort – damit werden wir nicht weiterkommen.“ Daher fordere er ein Sondervermögen von 100 Milliarden Euro für den Staatskonzern.
Ramelow sagte, ihm schwebe eine Lösung „unabhängig vom Bundeshaushalt“ vor. Das Sondervermögen müsse an das Vermögen der Bahn, also an das Schienennetz, gekoppelt sein. „So schaffen wir eine Institution, die selbst kreditfähig ist.“ Auf diese Weise könnten die Milliarden „mobilisiert“ werden, die die Bahn in den nächsten Jahren dringend brauche.
Der Ministerpräsident kritisierte die drohende Streichung von Fernverkehrsverbindungen der Bahn auch in Thüringen, über die der „Spiegel“ vor wenigen Tagen berichtet hatte. Die Deutsche Bahn wies den Bericht zwar zurück. Allerdings gebe es „schwerwiegende finanzielle Engpässe“, deshalb werde das Fahrplanangebot überprüft, erklärte Fernverkehrsvorstand Michael Peterson. Dem Konzern zufolge steht eine „drastische Erhöhung“ der Trassenentgelte „im Raum“, also die Gebühr für die Nutzung der Schienen.
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