Nach dem tödlichen Messerangriff von Mannheim will Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) „möglichst schnell“ Klarheit darüber, ob schwere Straftäter nach Afghanistan abgeschoben werden können. Sie lasse das „seit mehreren Monaten intensiv prüfen“, sagte Faeser am Dienstag in Berlin. Dies sei aber „nicht banal“ bei der Umsetzung und müsse auch „gerichtsfest“ sein. Bedenken gibt es in der Koalition weiter bei den Grünen.
Aus der Union und AfD, aber auch aus SPD und FDP waren nach dem Messerangriff von Mannheim Forderungen nach einer Wiederaufnahme von Abschiebungen nach Afghanistan gekommen. Diese sind seit der Machtübernahme der Taliban 2021 ausgesetzt.
Bei der Tat in Mannheim hatte ein 25-Jähriger aus Afghanistan am Freitag Mitglieder der islamkritischen Bürgerbewegung Pax Europa mit einem Messer angegriffen. Ein Polizist wurde dabei schwer verletzt und starb am Sonntag. Der mutmaßliche Täter lebte seit 2014 in Deutschland. Nach Informationen der Zeitung „Welt“ war sein Asylgesuch damals abgelehnt worden. Er bekam aber später eine befristete Aufenthaltsgenehmigung.
Sie wolle, „dass Personen, die eine potenzielle Gefahr für die Sicherheit Deutschlands sind, schnell abgeschoben werden müssen“, sagte Faeser. Hierbei würden die Sicherheitsinteressen Deutschlands „eindeutig“ das Bleibeinteresse von Betroffenen überwiegen. Faeser verwies allerdings darauf, dass in dem Mannheimer Fall der mutmaßliche Täter auch nicht „vollziehbar ausreisepflichtig“ gewesen sei.
SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich unterstützte die Initiative von Hamburgs Innensenator Andy Grote (SPD), schwerkriminelle Ausländer aus Afghanistan und Syrien in ihre Heimatländer abzuschieben. Mit Blick auf dafür nötige Verhandlungen mit den Taliban sprach Mützenich aber von einer „ganz schwierigen Situation“.
„Es darf nicht bei Beileidsbekundungen bleiben“, sagte FDP-Fraktionschef Christian Dürr. „Worten müssen Taten folgen.“ Wer in Deutschland islamistisch auffällig geworden sei, müsse „auch in Länder wie Afghanistan in Zukunft abgeschoben werden können.“
Die grüne Bundesaußenministerin Annalena Baerbock wies jedoch darauf hin, dass Deutschland mit Afghanistan keine diplomatischen Beziehungen pflege. „Wie unsere europäischen Partner haben wir keine Botschaft vor Ort, die die Rückführungen begleiten könnte“, erklärte die Ministerin. Die Begleitung der Abschiebungen durch die Bundespolizei sei bereits vor längerem aus Sicherheitsgründen eingestellt worden. „Um zentrale rechtsstaatliche und vor allem Sicherheitsfragen kommt man dabei nicht herum“, betonte Baerbock.
Die innenpolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion, Lamya Kaddor, sieht in solchen Abschiebungen nach Afghanistan ein falsches Signal. Denn dort hätte ein in Deutschland verurteilter Täter unter den radikalislamischen Taliban womöglich „gar keine Strafe mehr zu befürchten“, sagte sie in der ARD. „Wahrscheinlich wird er dort noch eher belohnt.“
Unionsfraktionschef Friedrich Merz (CDU) sagte, es müssten Wege gefunden werden, „ausreisepflichtige Asylbewerber aus Deutschland auch abzuschieben in Länder wie Afghanistan und Syrien“. Er fordert generell einen „noch härteren Kampf gegen den Islamismus“. Dazu werde die Unionsfraktion diese Woche einen Antrag einbringen, sagte er. Darin bekräftige die Union unter anderem auch ihre Forderung nach der Schließung des Islamischen Zentrums Hamburg (IZH).
AfD-Ko-Chefin Alice Weidel sprach mit Blick auf den Messerangriff von einem „Fanal“. „Es muss endlich gehandelt werden. Was wir brauchen, ist eine Migrationswende in Deutschland.“
Die Deutsche Polizeigewerkschaft (DPolG) und die Gewerkschaft der Polizei (GdP) riefen für Freitag zu einem Schweigemarsch für den getöteten Polizisten in Berlin auf. „Wir können nicht einfach zur Tagesordnung übergehen“, erklärte der Berliner GdP-Landeschef Stephan Weh. „Die Politik, aber auch unsere Gesellschaft müssen endlich verstehen, welche Risiken Polizisten tagtäglich für unsere Sicherheit, die Unversehrtheit aller Menschen auf sich nehmen.“
© AFP