Der Bundestag hat am Donnerstag die Immunität der AfD-Abgeordneten Petr Bystron und Hannes Gnauck aufgehoben. Am Morgen hob das Parlament zunächst die Immunität des Europawahlkandidaten Bystron auf, später durchsuchten Ermittler seine Bundestagsbüros. Am Abend traf es den Vorsitzenden der AfD-Jugendorganisation Junge Alternative (JA), Hannes Gnauck: Die Abgeordneten stimmten nach Informationen aus Parlamentskreisen einem Antrag des zuständigen Ausschusses für die „Genehmigung zur Durchführung eines gerichtlichen Disziplinarverfahrens“ gegen Gnauck zu. Dabei bezog sich der Ausschuss demnach auf ein Schreiben des Bundesverteidigungsministeriums.
Bystron ist die Nummer zwei auf der Europawahlliste der AfD. Er war im Zusammenhang mit den Vorwürfen zu dem pro-russischen tschechischen Internetportal „Voice of Europe“ in die Schlagzeilen geraten. Er hatte in Interviews für das Portal russlandfreundliche Darstellungen verbreitet. Nach Medienberichten wird ihm in diesem Zusammenhang die Annahme von Geldern aus Russland vorgeworfen. Bystron, der für den Wahlkreis München-Nord im Bundestag sitzt, weist die Anschuldigungen zurück.
Die Generalstaatsanwaltschaft München verwies ohne Namensnennung auf ein „Ermittlungsverfahren gegen einen Bundestagsabgeordneten“ wegen des Anfangsverdachts der Bestechlichkeit von Mandatsträgern und Geldwäsche. Im Zuge dieses Verfahrens wurden demnach am Donnerstag „Objekte in Berlin und Bayern sowie auf Mallorca durchsucht“. Laut AfD-Fraktion waren neben den Abgeordnetenbüros auch Privaträume von Bystron betroffen.
Die Partei- und Fraktionschefs Alice Weidel und Tino Chrupalla nannten die Immunitätsaufhebung und die Durchsuchungen einen „schwerwiegenden Vorgang“. Bislang seien „für die seit Wochen erhobenen Vorwürfe gegen Herrn Bystron keine Belege vorgelegt“ worden, erklärten sie. Die Fraktion hoffe „auf einen raschen Abschluss der Ermittlungen, damit nicht der Verdacht entsteht, dass hier versucht wird, durch Behörden und weisungsgebundene Staatsanwaltschaften den Europawahlkampf zu beeinflussen.“
Nach Angaben der Generalstaatsanwaltschaft München waren an den Durchsuchungsaktionen am Donnerstag elf Staatsanwälte und etwa 70 Polizeibeamte beteiligt. In Bayern fanden die Durchsuchungen in den Landkreisen München, Erding und Deggendorf statt. „Sichergestellt werden insbesondere Unterlagen und Datenträger“, die nun ausgewertet werden sollen, teilten die Ermittler mit.
Einem Medienbericht zufolge geht die Staatsanwaltschaft unter anderem einer verdächtigen Zahlung aus dem März 2023 nach, die zu einer Geldwäscheverdachtsanzeige der Bank geführt haben soll. Wie der „Spiegel“ berichtete, soll Bystron 30.000 Euro Bargeld auf ein Konto einer offenbar weitgehend inaktiven Münchner Firma eingezahlt haben, die ihm selbst gehört und sich laut offiziellem Unternehmenszweck mit Lederschuhen beschäftigt. Am selben Tag soll der AfD-Abgeordnete das ganze Geld bar in 200-Euro-Scheinen wieder abgehoben haben, heißt es.
Bystron selbst räumte ein, dass die Durchsuchung seiner Büroräume einen Schaden für seine Partei verursacht. „Das wird uns bei den Wahlen einige Stimmen kosten“, sagte er „Zeit Online“. „Diejenigen, die die Geschichte unserer von Gegenkampagnen beschädigten Partei kennen, wird das nicht abschrecken“, gab er jedoch auch an.
Auch Gnauck gibt an, sich „nichts vorzuwerfen“ zu haben. Sein AfD-Landesverband Brandenburg zitierte den Abgeordneten mit den Worten, nun werde „kurz vor der EU-Wahl, ohne ersichtlichen Anlass, meine Immunität doch aufgehoben, um Ermittlungen in einem Verfahren zu ermöglichen, das aufgrund meines Bundestagsmandats seit mittlerweile drei Jahren ruht“. Weiter erklärte Gnauck, er „gelassen die Ergebnisse der Ermittlungen abwarten“.
Gnauck war Soldat und ist Mitglied des Verteidigungsausschusses im Bundestag. Bereits vor Monaten hatten mehrere Abgeordnete anderer Fraktionen Bedenken gegen Gnaucks Verbleib in dem Ausschuss geäußert, der die Arbeit des Verteidigungsministeriums kontrollieren soll und geheim tagt. Unter anderem hatte die Ausschussvorsitzende Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP) erklärt, sie sehe angesichts von Gnaucks Mitgliedschaft im Ausschuss „die Sicherheit unseres Landes gefährdet, weil der Vorsitzende einer extremistischen Organisation Zugang zu eingestuften Informationen erhält“.
Die von Gnauck angeführte AfD-Jugendorganisation JA darf der Verfassungsschutz einer Entscheidung des Kölner Verwaltungsgerichts vom Februar zufolge als „gesichert extremistische Bestrebung“ einstufen.
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