„Unsinn“ und „Anti-Sozial-Papier“: SPD weist FDP-Plan für soziale Einschnitte zurück

Die SPD hat die Pläne des Koalitionspartners FDP für tiefe Einschnitte in der Sozialpolitik mit scharfen Worten zurückgewiesen.

Die SPD hat die Pläne des Koalitionspartners FDP für tiefe Einschnitte in der Sozialpolitik mit scharfen Worten zurückgewiesen. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) sprach am Montag von „Unsinn“, Parteichef Lars Klingbeil von einem Irrweg. FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai verteidigte den Zwölf-Punkte-Plan für eine „Wirtschaftswende“, der etwa harte Sanktionen für Bürgergeldempfänger und ein Ende der Rente mit 63 vorsieht. Grünen-Chef Omid Nouripour reagierte gelassen und verwies auf den bevorstehenden FDP-Parteitag.

Wenn die FDP glaube, „dass es der Wirtschaft besser geht, wenn es Handwerkern, Krankenschwestern oder Erzieherinnen schlechter geht, dann irrt sie gewaltig“, sagte SPD-Chef Klingbeil der „Bild“-Zeitung vom Montag. Mit Blick auf die Rente mit 63 betonte er: „Wer 45 Jahre lang in Krankenhäusern, Kitas oder auf dem Bau für unser Land schuftet, hat ein Recht auf eine abschlagsfreie Rente. Das bleibt.“

SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert sagte dem „Tagesspiegel“, das Wirtschaftswende-Konzept der FDP „besteht vor allem aus der Beschimpfung von Arbeitnehmern“. Die Vorschläge offenbarten einen „zynischen Blick auf unsere Mitmenschen“.

Bundesarbeitsminister Heil sagte am Rande eines Termins in Berlin: „Wenn Unsinn vorgeschlagen wird, dann muss man auch mal sagen, dass es Unsinn ist.“ Er rate aber dazu, mit den Vorschlägen „recht gelassen“ umzugehen. Der SPD-Politiker fügte mit Blick auf den kleinsten Koalitionspartner hinzu: „Von Randgeklingel muss man sich nicht beeindrucken lassen.“

Die SPD-Spitzenkandidatin für die Europawahl, Katarina Barley, sprach von einem „Anti-Sozial-Papier“. Verbindlich sei für die Sozialdemokraten allein der Koalitionsvertrag „und dabei bleibt es auch“. Barley wies darauf hin, dass die FDP auch auf europäischer Ebene zuletzt vor allem durch Blockadeaktionen aufgefallen sei.

FDP-Generalsekretär Djir-Sarai verteidigte das Zwölf-Punkte-Papier, das am Montag vom Parteipräsidium beschlossen wurde. Es seien eine ganze Reihe von Maßnahmen notwendig, um eine „Wirtschaftswende“ herbeizuführen. Neben den Sanktionen für Bürgergeldempfänger und dem Aus für die Rente mit 63 will die FDP staatliche Förderungen für Wind- und Solarenergieanlagen abschaffen und das Lieferkettengesetz aussetzen. Gefordert wird auch ein Moratorium für Sozialleistungen: Für mindestens drei Jahre sollen keine neuen Leistungen beschlossen werden.

Ein Leitantrag zu dem Thema für den Bundesparteitag am Wochenende werde noch umfassender sein als das nun vorgelegte Papier, betonte Djir-Sarai. Es sei ihm klar, „dass der ein oder andere Koalitionspartner dies nicht auf Anhieb nachvollziehen kann“, sagte er mit Blick auf die heftige Kritik insbesondere aus der SPD. Der Generalsekretär betonte, die FDP habe Punkte formuliert, die „aus unserer Sicht notwendig und richtig sind“. Dazu habe jede Partei das Recht, insbesondere vor einem Parteitag.

Grünen-Chef Nouripour wollte die Pläne nicht bewerten. Die Positionen der Liberalen seien nicht neu. „Die Koalition arbeitet und das wird sich nicht ändern, weil es Parteitagsbeschlüsse gibt.“ Nouripour verwies darauf, dass die Ampel-Koalition „sehr viel hinbekommen“ habe in dieser Legislaturperiode.

Linken-Chefin Janine Wissler sprach von einem „Dokument der sozialen Grausamkeit“. Sie fügte hinzu: „Man nimmt den Ärmsten weg, was man kann, während die Reichsten weiter unbehelligt bleiben oder gar noch Steuergeschenke hinterhergeworfen bekommen.“ Die Empörung der SPD sei „in großen Teilen auch Heuchelei“, so Wissler. Die Sozialdemokraten hätten die ganze diskriminierende Debatte“ über Einschnitte beim Bürgergeld „mit angestoßen und mit gefördert“, kritisierte sie.

CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann sieht inhaltliche Schnittmengen zwischen den Zielen seiner Partei und den FDP-Forderungen. Das FDP-Papier sei mit Blick auf deren Zugehörigkeit zur Regierung schon „ein außergewöhnlicher Vorgang“, sagte er in Berlin und forderte: „Entweder die FDP setzt sich durch oder sie sollte sagen: ‚Wir verlassen diese Ampel-Koalition‘.“ Die Union sehe sich „vorbereitet auf eine Regierungsübernahme“.

Auch CSU-Chef Markus Söder forderte die FDP zum Koalitionsbruch auf. Er bekräftigte seine Äußerung vom Vortag, dass das Konzept die „Scheidungsurkunde“ sei. Wenn die FDP ihre Forderungen ernst meine, müsse sie sofort aus der Bundesregierung aussteigen. Die Ampel sei „nicht mehr als eine Ruine“, sagte Söder in München.
© AFP

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