Linken-Chefin Janine Wissler hat die derzeitigen Pläne zur Kindergrundsicherung scharf kritisiert. „Das wichtigste Reformprojekt der grünen Familienministerin (Lisa Paus) entpuppt sich immer mehr als Rohrkrepierer, das nicht wirklich umgesetzt wird“, sagte Wissler am Mittwoch der Nachrichtenagentur AFP. „Die Leidtragenden sind Millionen Kinder, die in Armut aufwachsen.“ Der Streit der Regierungsparteien werde „auf dem Rücken der armen Kinder in diesem Land ausgetragen“.
Wissler warf Paus vor, die Reform „so schlecht vorbereitet“ zu haben, „dass es im Bundesrat über 100 Seiten Änderungsanträge hagelt“.
Trotz der Rückführung von Geldern in die Bürokratie würden Jobcenter und Familienservice auf gegenseitige Informationen angewiesen bleiben, sagte die Linken-Politikerin. Für viele Familien bedeuteten Paus‘ Pläne, dass sie künftig mit zwei Behörden zu tun hätten statt mit einer. „Wenn die Kommunikation zwischen ihnen nicht reibungslos funktioniert, kann es passieren, dass Gelder zu spät oder in falscher Höhe ausgezahlt werden und es zu schmerzhaften Rückzahlungen kommt.“
Wissler kritisierte zudem, dass zu wenig Geld für finanzielle Unterstützung vorgesehen sei. „Statt der von Paus geschätzten zwölf Milliarden Euro pro Jahr sind es nur etwas mehr als zwei Milliarden“, sagte die Linken-Politikerin. „Allein ein Viertel davon, rund eine halbe Milliarde, fließt in die Bürokratie der Behörden, statt bedürftigen Kindern zugute zu kommen.“ Die Auswirkungen von Paus‘ Vorschlag auf die Armutsquote „wären minimal, allenfalls eine Veränderung in der dritten Nachkommastelle“.
Für eine „spürbare Verbesserung“ sei „eine deutlich höhere finanzielle Unterstützung notwendig“, sagte Wissler. Sie sprach von einer „fatalen und kurzsichtigen (…) Spar- und Streichpolitik“ der Ampelkoalition. Wer heute bei der Förderung von Kindern spare, müsse später die Defizite ausgleichen.
Die Kindergrundsicherung soll mehrere Leistungen für Kinder bündeln und diese den Familien leichter zugänglich machen. Die Koalition will damit Kinderarmut effektiver bekämpfen. Der entsprechende Gesetzentwurf wurde im November zum ersten Mal im Bundestag beraten, doch das Gesetzgebungsverfahren stockt, viele Details der Umsetzung sind noch offen.
Die Spitzen von SPD, Grünen und FDP kommen am Mittwochabend zu Beratungen in Berlin zusammen; konkrete Beschlüsse sind in der Sitzung des Koalitionsausschusses nicht geplant. Finanzminister Christian Lindner (FDP) hatte im Vorfeld eine Überarbeitung der Pläne von Familienministerin Paus für eine Kindergrundsicherung gefordert.
Auch die Präsidentin des deutschen Kinderschutzbunds, Sabine Andresen, zeigte sich mit dem Gesetzentwurf zur Kindergrundsicherung nicht zufrieden. „Wir alle haben uns mit der Reform deutlich mehr gewünscht“, sagte sie den Zeitungen der Mediengruppe Bayern (Mittwochsausgaben). Der große Wurf sei die Reform „auf alle Fälle noch nicht“.
„Wenn jetzt noch nicht einmal der Einstieg gelingt, dann wäre das fatal“, sagte Andresen. Sie forderte unter anderem eine Neuberechnung des „kindlichen Existenzminimums“. Sie habe den Eindruck, dass es in der Ampelkoalition „unterschiedliche Vorstellungen darüber gibt, ob man die Bekämpfung von Kinder- und Jugendarmut wirklich priorisieren will oder nachrangig behandelt“.
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