Vor dem Votum zum Wachstumschancengesetz im Bundesrat hat sich die Regierung um eine Einigung mit den Bauern bemüht – denn die unionsgeführten Länder machen ihre Zustimmung bislang vom Thema Agrardiesel abhängig. Das Bundeslandwirtschaftsministerium berichtete von „engen und konstruktiven Gesprächen über wirksame Entlastungen für den Berufsstand“, die Union kritisierte die dabei angesprochenen Entlastungen am Donnerstag aber als unzureichend. Begleitend zur Abstimmung im Bundesrat soll es am Freitag Bauernproteste geben.
Über das Wachstumschancengesetz wird seit Wochen gestritten – das Gesetz ist zwischen Bundestag und Bundesrat blockiert. Es sieht Entlastungen für Unternehmen in Höhe von rund drei Milliarden Euro vor. Die Union verknüpfte das Gesetz aber mit der Streichung der Agrardiesel-Subventionen und machte zuletzt ihre Zustimmung dazu von entsprechenden Entlastungen für die Landwirte abhängig.
Am Mittwochnachmittag sprach das Bundeslandwirtschaftsministerium von engen Gesprächen mit der Landwirtschaft. Die Regierung bereite Entlastungsmaßnahmen vor, etwa einkommensteuerliche Erleichterungen und die Stärkung der Landwirtinnen und Landwirte in der Wertschöpfungskette, erklärte Landwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne). Zudem werde der „Abbau von unnötiger Bürokratie entschieden“ angegangen.
Am Donnerstag hieß es aus dem Ministerium, die „engen und konstruktiven Gespräche mit den Landwirtinnen und Landwirten“ würden weiter geführt. Konkretere Inhalte könnten aber noch nicht kommuniziert werden.
Auch der Bauernverband wollte mit Verweis auf die Vertraulichkeit der Gespräche keine Details nennen. Er wertete den Einstieg in die Gespräche mit der Bundesregierung zwar als positiv, forderte aber „konkrete Entlastungen“ für die landwirtschaftlichen Betriebe. Bei den einzelnen vorgeschlagenen Maßnahmen bestehe noch „erheblicher Nachbesserungsbedarf“, teilte der Verband mit und forderte ebenfalls: „Wir dürfen das Thema Agrardiesel nicht aus den Augen verlieren.“
Ähnlich äußerte sich die Union. „Eine Kompensation für die 450 Millionen Euro, die den Bauern beim Agrardiesel genommen werden, ist nach wie vor nicht in Sicht“, erklärte der CSU-Agrarexperte Artur Auernhammer. Er bezeichnete Özdemirs Aussagen als „nebulös“, damit könne „niemand etwas anfangen“. Ein grundsätzliches Einlenken der Bundesregierung sei nicht in Sicht, fuhr er mit Blick auf den Streit um den Agrardiesel fort.
„Ohne ein Angebot, von dem alle landwirtschaftlichen Betriebe substanziell etwas haben, wird der selbst verschuldete Konflikt der ‚Ampel‘ mit den Landwirten bestehen bleiben“, sagte auch Unionsfraktionsvize Steffen Bilger dem „Handelsblatt“. Ein Angebot, das die Streichung der Agrardiesel-Regelung kompensieren solle, müsse „ein finanziell vergleichbares Volumen haben und darf nicht nur darin bestehen, ohnehin bereits vereinbarte Maßnahmen wie die Aussetzung der Flächenstilllegungsverpflichtungen für 2024 einzupreisen oder Bürokratieabbau in Aussicht zu stellen“.
Nach einem Aufruf des Bauernverbands wollen Landwirtinnen und Landwirte am Freitagmorgen vor dem Bundesratsgebäude in Berlin für den Erhalt der Agrardiesel-Subventionen demonstrieren. Der Landesbauernverband Brandenburg rief seine Mitglieder am Donnerstag zur Teilnahme auf. Die Kürzungen beim Agrardiesel seien für die Unternehmen in Brandenburg „direkt einkommenswirksam“, außerdem sei die Diesel-Antriebstechnik in der Landwirtschaft auf Sicht alternativlos und für die Weiterentwicklung der Bewirtschaftung „unerlässlich“, erklärte der Verband.
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