Verhandlung über Einstufung von AfD als Verdachtsfall vor OVG Münster begonnen

In der Reihe juristischer Auseinandersetzungen der AfD mit dem Bundesamt für Verfassungsschutz wird vor dem nordrhein-westfälischen Oberverwaltungsgericht mündlich verhandelt.

Unter großem Medieninteresse und mit zahlreichen Anträgen hat am Dienstag die mündliche Verhandlung im Berufungsverfahren der AfD gegen das Bundesamt für Verfassungsschutz vor dem nordrhein-westfälischen Oberverwaltungsgericht (OVG) in Münster begonnen. Im Kern geht es um die Frage, ob die AfD als Gesamtpartei von den Verfassungsschützern als rechtsextremistischer Verdachtsfall geführt werden darf. Das Verwaltungsgericht Köln wies im März 2022 eine dagegen gerichtete Klage der AfD in erster Instanz ab.

Es gehe in dem Verfahren um wichtige Eingriffe und Schutzbedürfnisse von hohem Rang, sagte der Vorsitzende Richter am Dienstag. Zugleich merkte er an, dass sich der Senat Bemerkungen, die über den Verfahrensgegenstand hinausgehen, „in jeder Hinsicht enthalten“ werde.

Gleich zu Beginn der Verhandlung war der Senat mit mehreren Anträgen der AfD beschäftigt. So beantragte der Anwalt der Partei zunächst eine Vertagung des Verfahrens. Grund sei, dass die Zeit seit Januar nicht ausreichend gewesen sei, um mehr als 4200 Seiten Dokumente des Verfassungsschutzes sowie 116 Stunden Videomaterial zu sichten.

Nach Verwerfung des Antrags wies der Senat auch einen Befangenheitsantrag gegen die Richter zurück. Der Antrag sei grundlos vorgebracht, stellte der Vorsitzende Richter fest. Zudem forderte die AfD, die Gutachten der Verfassungsschutzbehörden in Sachsen und Sachsen-Anhalt im Zusammenhang mit der Hochstufung der Landesverbände in dem Verfahren beizuziehen. Das Gericht behielt sich eine Entscheidung darüber vor.

Die Bevollmächtigten der AfD beantragten außerdem, mehrere Mitarbeiter des Bundesamts für Verfassungsschutz als Zeugen zu vernehmen. Der Vertreter des Verfassungsschutzes bezeichnete die umständliche Art des Vortrags der Beweisanträge als „Prozessverschleppung“. Der Anwalt der AfD wies den Vorwurf zurück.

In den insgesamt drei vor dem OVG anhängigen Berufungsverfahren geht es auch um die Einstufung der AfD-Jugendorganisation Junge Alternative (JA) und des inzwischen offiziell aufgelösten sogenannten Flügels als Verdachtsfall – im Fall des Flügels auch um die Einstufung als gesichert extremistische Bestrebung. Für die mündliche Verhandlung wurden zwei Tage angesetzt. Am Mittwoch könnte ein Urteil fallen.

Der Rechtsstreit zwischen der AfD und dem Bundesamt mit Sitz in Köln dauert inzwischen mehrere Jahre an. Nach einer erstmaligen Einstufung der Partei als sogenannter Prüffall im Jahr 2019 wurde die Gesamtpartei im März 2021 als Verdachtsfall des Rechtsextremismus hochgestuft. Das Verwaltungsgericht Köln verwies im Jahr darauf auf „ausreichende tatsächliche Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen innerhalb der Partei“.

Für die AfD hat eine solche Einstufung weitreichende Folgen. Als Verdachtsfall dürfen gegen die Partei geheimdienstliche Mittel zur Beobachtung eingesetzt werden. Darunter fallen etwa Observationen oder das Sammeln von Informationen über sogenannte V-Leute. Mit ihren Klagen zielt die AfD darauf ab, dem Verfassungsschutz eine Einstufung und daraus folgende Beobachtungen zu verbieten. Auch öffentliche Mitteilungen dazu sollen dem Bundesamt untersagt werden.

Im Fokus steht die erwartete Entscheidung auch wegen ihrer möglichen Signalwirkung auf die Debatte um ein Verbotsverfahren der AfD und ihrer als Verein eingetragenen Jugendorganisation. Folgen dürfte sie auch für das weitere Vorgehen des Verfassungsschutzes haben. Nach einem Bericht der „Süddeutschen Zeitung“ soll das Bundesamt bereits an einem Gutachten zu einer möglichen Einstufung der gesamten AfD als „gesichert extremistische Bestrebung“ arbeiten.

Bislang werden die AfD-Landesverbände Thüringen, Sachsen-Anhalt und Sachsen vom jeweiligen Landesverfassungsschutz so eingestuft. Die AfD-Fraktion im sächsischen Landtag äußerte scharfe Kritik an den Plänen des Verfassungsschutzes. Im Herbst werden in Sachsen, Thüringen und Brandenburg neue Landtage gewählt. In den drei Ländern lag die AfD in Umfragen zuletzt in Führung. Bereits im Mai und Juni finden in neun Bundesländern Kommunalwahlen statt.
© AFP

xity.de
Nach oben scrollen