Der Sachverständigenrat Wirtschaft, die sogenannten Wirtschaftsweisen, dringt auf eine Lockerung der Schuldenbremse im Grundgesetz. In seinem am Dienstag veröffentlichten Policy Brief schlägt das Beratergremium der Bundesregierung einstimmig Änderungen an drei Punkten vor, um mehr Flexibilität zu ermöglichen. Dies sind eine Übergangsphase nach einer Aussetzung der Schuldenbremse, Lockerungen in Abhängigkeit von der Höhe der Schuldenstandsquote sowie eine Überarbeitung der sogenannten Konjunkturquote zur Berücksichtigung der aktuellen Wirtschaftslage.
„Die von uns vorgeschlagene Anpassung der Schuldenbremse erhöht die Flexibilität der Fiskalpolitik“, erklärte die vorsitzende Wirtschaftsweise Monika Schnitzer. „Sie ermöglicht, zukunftsgerichtete öffentliche Ausgaben zu tätigen und den Übergang nach einer Notlage zu regeln, ohne die Tragfähigkeit der Staatsfinanzen auszuhöhlen.“
„In ihrer aktuellen Ausgestaltung ist die Schuldenbremse starrer, als es zur Aufrechterhaltung der Schuldentragfähigkeit notwendig ist“, kritisiert das mit vollem Namen Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung genannte Gremium. „Sie beschränkt die fiskalischen Spielräume für zukunftsgerichtete Ausgaben unnötig stark.“
Die Koalitionspartei FDP lehnt eine Lockerung der Schuldenbremse aber weiterhin ab. „Der Debattenbeitrag des Sachverständigenrats ändert nichts an der Regierungspolitik im Umgang mit der Schuldenbremse“, sagte der haushaltspolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Christoph Meyer, der Nachrichtenagentur AFP. Es gebe „berechtigte Zweifel“ in Hinblick auf die einzelnen Vorschläge des Rats. ,Statt die Verschuldungsregel zu ändern, müssten Bund und Länder ihre Mittel „nur zielgerichtet priorisiert und wirkungsorientiert“ einsetzen, sagte Meyer. Anders als die FDP können sich die Koalitionspartner SPD und Grüne eine generelle Lockerung der Schuldenbremse vorstellen.
Der Sachverständigenrat schlägt für die Zeit nach einer Aussetzung der Schuldenregeln vor, dass das zulässige strukturelle Defizit dann weiterhin über der normalen Regelgrenze liegen darf. Es müsse jedoch Jahr für Jahr zurückgeführt werden. „Ökonomische Krisen können in den Folgejahren nach einer akuten Notlage noch erhebliche Auswirkungen auf eine Volkswirtschaft haben“, heißt es zur Begründung.
„Eine sofortige Konsolidierung des Staatshaushalts, um in diesen Jahren die Schuldenbremse wieder einzuhalten, könnte zu unnötig starken negativen Impulsen für eine noch schwächelnde Wirtschaft führen“, erklärte das Gremium. „Eine Übergangsregelung würde für zusätzliche fiskalische Spielräume zur Krisenbewältigung sorgen und gleichzeitig verhindern, dass ständig diskutiert wird, Notlagen auszurufen“, erklärte dazu Ratsmitglied Ulrike Malmendier.
Außerdem solle die Schuldenobergrenze in Abhängigkeit von der Schuldenstandsquote gestaffelt werden, empfiehlt der Rat. Bei niedrigen Schuldenstandsquoten könnte die Verschuldung dann höher ausfallen. Derzeit sinke die Schuldenstandsquote selbst dann „stetig und deutlich“, wenn die mögliche Kreditaufnahme voll ausgeschöpft werde.
Konkret schlagen die Sachverständigen vor, bei einer Schuldenstandsquote unter 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) solle die Grenze für das strukturelle Defizit bei einem Prozent des BIP liegen. Zwischen 60 Prozent und 90 Prozent sollte ein Defizit von 0,5 Prozent des BIP zulässig sein. Erst ab 90 Prozent Staatsverschuldung sollten nur noch die derzeit generell gültigen 0,35 Prozent des BIP für das strukturelle Defizit erlaubt sein.
Die reformierte Konjunkturkomponente soll laut Sachverständigenrat diese methodisch verbessern und weniger revisionsanfällig machen. Dies solle „eine konjunkturgerechtere Finanzpolitik ermöglichen“, hieß es in der Erklärung des Rats. Der Sachverständigenrat berät die Bundesregierung in wirtschaftspolitischen Fragen.
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