Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Klima- und Transformationsfonds (KTF) gerät vor allem die Förderung für die ostdeutsche Wirtschaft in den Fokus. Nach heutigem Stand seien weder die Ansiedlung der Chipfabriken in Dresden und Magdeburg noch der Wiederaufbau der Solarindustrie in Ostdeutschland gesichert, sagte Wirtschaftsstaatssekretär Michael Kellner (Grüne) den RND-Zeitungen vom Dienstag. Verkehrsminister Volker Wissing fürchtet unterdessen eine Lücke von 25 Milliarden Euro bei der Bahn.
Das Bundesverfassungsgericht hatte vergangene Woche entschieden, dass 60 Milliarden Euro an ungenutzten Kreditermächtigungen für den Kampf gegen die Corona-Pandemie 2021 nicht rückwirkend in den KTF verschoben werden durften. Die Mittel waren bislang für zahlreiche klimapolitische Projekte der Ampel-Koalition, aber auch für die wirtschaftliche Transformation vorgesehen. Als Konsequenz aus dem Urteil verhängte das Bundesfinanzministerium eine Ausgabensperre für Teile des gesamten Bundeshaushalts.
„Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts hat besonders heftige Auswirkungen auf Ostdeutschland“, sagte Kellner dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Von den nun angekündigten Investitionen in die deutsche Industrie von 80 Milliarden Euro entfallen demnach rund 50 Milliarden auf Ostdeutschland. Falls die fehlenden 60 Milliarden Euro nicht anderweitig aufgebracht würden, drohe der ostdeutschen Wirtschaft massiver Schaden.
Deutschland stehe in einem harten internationalen Wettbewerb. „In Asien, in den USA und Kanada gibt es massive Subventionen“, sagte Kellner. „Wenn wir diese Transformation nicht unterstützen, dann entsteht der Wohlstand woanders.“
Es seien nun vor allem auch die CDU-Ministerpräsidenten Sachsens und Sachsen-Anhalts, Michael Kretschmer und Reiner Haseloff gefordert, sagte Kellner dem Sender MDR. Diese sollten mit CDU-Chef Friedrich Merz „reden“. Es sei wichtig, an einem Strang zu ziehen. Das Urteil in Karlsruhe war auf eine Klage der Unionsfraktion im Bundestag hin gefällt worden.
Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Hendrik Wüst, ebenfalls CDU, forderte unterdessen die Regierung auf, Zusagen zu Fördermitteln für die Wirtschaft einzuhalten. „Die Ampel hat unserer Wirtschaft fest zugesagt, dass alle Förderzusagen eingehalten werden. Dieses Wort muss Bestand haben“, sagte Wüst dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ sowie auch der „Rheinischen Post“. Die Wirtschaft des Bundeslandes und die Kommunen dürften „jetzt nicht die Leidtragenden der finanzpolitischen Fehler der Ampel sein“.
Durch das Urteil steht die Finanzierung zahlreicher klima- und industriepolitischer Projekte der Regierung auf der Kippe. Neben den Chip-Fabriken betrifft das etwa auch die Sanierung der Bahn. Im KTF sind allein für das kommende Jahr vier Milliarden Euro für die Bahn-Infrastruktur eingeplant, bis 2027 sind es 12,5 Milliarden Euro. Wissing befürchtet insgesamt eine Sanierungslücke von 25 Milliarden Euro, wie der „Spiegel“ berichtete.
Bei den anderen 12,5 Milliarden Euro geht es um Eigenkapital der Bahn, das der Bund in den kommenden Jahren aufstocken will. Wissing stufte dem Bericht zufolge offenbar auch diesen Teil der Finanzierung als durch das Urteil gefährdet ein. Damit steht auch die Sanierung der sogenannten Riedbahn von Frankfurt nach Mannheim auf der Kippe.
Das Münchner Ifo-Institut riet der Regierung vor dem Hintergrund des Urteils aus Karlsruhe zu Verhandlungen mit der Union über einen langfristigen Klimapolitik-Deutschlandpakt. Es wäre „sinnvoll, wenn die Ampel mit der Union eine Einigung anstrebt“, sagte Institutspräsident Clemens Fuest der „Augsburger Allgemeinen“. Die dann gemeinsam beschlossene Klimapolitik wäre für private Investoren verlässlicher, auch mit Blick auf eine neue Regierung.
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