Steinmeier wirbt in Rede für gesellschaftlichen Pflichtdienst

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat erneut für einen gesellschaftlichen Pflichtdienst geworben.

Steinmeier rief am Dienstag auf einer Veranstaltung der Konrad-Adenauer-Stiftung in Berlin dazu auf, die Debatte darüber „mit Ernsthaftigkeit und Fairness“ zu führen. Neben anderen gesellschaftlichen Bereichen nannte er in seiner Rede ausdrücklich auch die Bundeswehr.

„Wir alle erleben, wie Krisen und Umbrüche die Gesellschaft unter Druck setzen, wie sie zu Verunsicherung und Reibung führen“, sagte Steinmeier in seiner Rede auf der Veranstaltung „Stärken, was uns verbindet: Pflichtzeit für unsere Gesellschaft“. Es sei daher wichtig, darüber nachzudenken, „was wir in einer solchen Zeit tun können, tun müssen, damit unsere Gesellschaft nicht weiter auseinandertreibt“. Dies sei „ganz entscheidend für die Zukunft unserer Demokratie“.

Ausdrücklich lobte Steinmeier das Engagement von „Hunderttausenden, die in Freiwilligendiensten anpacken“, im sozialen wie im ökologischen Bereich. Dieses Engagement umfasse aber nicht die Gesellschaft als Ganzes. Junge Menschen mit Abitur seien deutlich überrepräsentiert und im Netz des ehrenamtlichen Engagements würden „die Maschen weiter“. In einer alternden Gesellschaft altere auch das Ehrenamt. „Wir brauchen wirklich alle, um unsere Gesellschaft zusammenzuhalten“, betonte daher der Bundespräsident.

Steinmeier ging in seiner Rede auf das Spannungsverhältnis zwischen individueller Freiheit und notwendiger gesellschaftlicher Bindung ein. Er räumte ein, dass es gerade bei vielen jüngeren Menschen Vorbehalte gegen einen Pflichtdienst gebe, sogar von „Diebstahl von Lebenszeit“ sei die Rede. Viele Jüngere engagierten sich lieber projektbezogen als in auf Dauer angelegten Organisationen.

Es könne jedoch „das eigene Interesse, das eigene Wohlergehen nicht der einzige Maßstab sein“, sagte der Bundespräsident weiter. „Das Ich in der Demokratie braucht immer auch ein Wir“, hob er hervor. „Und dazu kann die soziale Pflichtzeit einen sehr wichtigen Beitrag leisten.“ Sie würde dazu auffordern, „über den eigenen Tellerrand zu schauen, über den eigenen Nutzen hinauszudenken und sich anderen Lebenswelten zuzuwenden“.

„Vor allem aber könnten wir mit einer Pflichtzeit als Gesellschaft den Gemeinsinn einüben. Wir könnten im Tun verstehen, dass das eigene Interesse, das eigene Wohlergehen nicht der einzige Maßstab sein kann, wenn wir gemeinsam Probleme lösen wollen“, hob Steinmeier weiter hervor. Dies könne auch klarer machen: „Mithelfen und Mitgestalten sollten Normalität für alle sein.“

Als Beispiele für mögliche Einsatzbereiche für einen gesellschaftlichen Pflichtdienst nannte Steinmeier Katastrophenschutz und Rettungsdienst, die Obdachlosenhilfe, andere Dienste von Menschen für Menschen, aber auch die Bundeswehr.

„Eine Entscheidung für eine soziale Pflichtzeit braucht eine breite gesellschaftliche und politische Mehrheit“, stellte Steinmeier aber auch klar. Er warb jedoch für eine Debatte, die „nicht erneut im Sande verlaufen, sondern mit einer Entscheidung enden“ sollte. Dies würde die Demokratie stärken „und selten hat unsere Demokratie dringender Stärkung gebraucht als gerade jetzt“.

Steinmeier griff mit seiner Rede frühere eigene Vorstöße auf, in denen er ebenfalls für einen gesellschaftlichen Pflichtdienst geworben hatte. Die Debatte darüber wird oft mit der Diskussion über eine Rückkehr zur Wehrpflicht verknüpft – teilweise auch in Verbindung mit einer Wahlmöglichkeit zwischen einem Dienst bei der Bundeswehr oder in anderen Bereichen. Dies spielte jedoch in den Ausführungen des Bundespräsidenten nur am Rande eine Rolle.
© AFP

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