Wie die Beratungsfirma EY in Stuttgart am Freitag mitteilte, betrug der Anstieg 18 Prozentpunkte, jede vierte Kommune hob die Hebesätze demnach an. Die Experten sehen einen Zusammenhang mit der Grundsteuerreform: „Im Vorfeld des Inkrafttretens der Grundsteuerreform sehen wir eine regelrechte Welle an Steuererhöhungen in den Kommunen.“
Der kommunale Hebesatz ist einer von mehreren Faktoren zur Berechnung der Grundsteuer. Durch höhere Hebesätze können die Kommunen ihr Einnahmen steigern. Die Sätze stiegen den Angaben zufolge im vergangenen Jahr von 391 Prozent im Schnitt auf 409 Prozent. Auch in den Vorjahren hatte es tendenziell mehr Erhöhungen gegeben.
Einfluss in diesem Jahr hatte maßgeblich Rheinland-Pfalz, wo 2023 eine Reform des Kommunalen Finanzausgleichs in Kraft trat. Dadurch sahen sich viele Kommunen gezwungen, die Sätze zu erhöhen, um ihrerseits weiter durch den Finanzausgleich entlastet zu werden. 79 Prozent aller Kommunen in Rheinland-Pfalz erhöhten den Hebesatz.
Bundesweit hoben 2671 der rund 10.800 Kommunen ihre Hebesätze an, in lediglich 49 Gemeinden oder Städten sanken die Sätze. Am höchsten sind die Hebesätze demnach in Nordrhein-Westfalen mit 577 Prozent, dahinter folgen Hessen (507 Prozent) und eben Rheinland-Pfalz (464 Prozent). Schleswig-Holstein (348 Prozent) und Bayern (355 Prozent) stehen am Ende der Skala. Von den 50 deutschen Kommunen mit den höchsten Hebesätzen liegen laut EY allein 28 in Nordrhein-Westfalen, 21 in Hessen und eine in Rheinland-Pfalz.
EY untersucht seit 2005 die durchschnittlichen Hebesätze in Deutschland. Ein so deutlicher Anstieg wie im vergangenen Jahr wurde dabei noch nie registriert. Der bisherige Rekordwert lag bei elf Prozentpunkten und wurde 2011 verzeichnet.
Viele Kommunen, insbesondere im Westen Deutschlands, stehen nach EY-Angaben finanziell „mit dem Rücken zur Wand“. Deshalb sei die Erhöhung der Grundsteuer vielfach „unausweichlich“. „Angesichts der hohen Inflation der vergangenen Jahre kämpfen viele Kommunen mit Kostensteigerungen, die sie weitergeben müssen“, erklärte Heinrich Fleischer von EY.
Seine Vermutung: Viele Kommunen heben vor Inkrafttreten der Grundsteuerreform die Hebesätze, damit der Anstieg im kommenden Jahr mit den neuen Regeln nicht so stark erscheint. Denn politisch war zugesichert worden, dass die neue Grundsteuer nicht zu einer zusätzlichen Belastung der Bürger führen soll. Er gehe deshalb davon aus, dass auch im laufenden Jahr noch viele Kommunen die Hebesätze weiter erhöhen, erklärte Fleischer.
Der Gesetzgeber hatte die Grundlage der Berechnung der Grundsteuer nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts neu regeln müssen. Ab Januar 2025 greift nun das neue Recht, das sich in der Regel stärker nach Flächengrößen oder Bodenwerten richtet.
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