„Verantwortung als Fremdwort, Bösartigkeit als Methode“, schrieb Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) in der Nacht zum Samstag im Online-Dienst X. Er sei „tief erschüttert über dieses Verhalten der FDP“. Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) nannte das Vorgehen „schäbig“ und „eine unfassbare Enttäuschung“.
Am Freitagabend hatten Zeit online und die „Süddeutsche Zeitung“ über eine Reihe von Treffen führender FDP-Vertreter berichtet, in denen seit Ende September akribisch der Bruch der Regierung vorbereitet worden sein soll. Bei Zeit online ist von einem „Drehbuch“ die Rede. Beiden Medien zufolge wurde das Ausstiegsprojekt intern Projekt „D-Day“ genannt. Ausgangspunkt soll dabei ein Treffen am 29. September in Potsdam gewesen sein.
Das FDP-Vorgehen sei „auch menschlich ein Armutszeugnis“, schrieb Lauterbach in der Nacht auf X. „Mit einer solchen Partei darf man nicht regieren.“ Kanzleramtsminister Wolfgang Schmidt (SPD) reagierte in dem Online-Dienst auf den „SZ“-Bericht mit einem kurzen „Aha“.
Laut „Süddeutscher Zeitung“ waren die Befürworter eines Ausstiegs aus der Ampel-Koalition oder jene, die dieses frühe Ende für sehr wahrscheinlich hielten, bei den Gesprächen offenbar von Beginn an deutlich in der Mehrheit. Allerdings gebe es zwei unterschiedliche Versionen über Verlauf und Charakter der Treffen: Nach der einen wollte Parteichef Christian Lindner ein Stimmungsbild einholen und mehrere Szenarien besprechen. Nach der anderen Darstellungen sei bereits am 29. September faktisch eine Entscheidung gefallen, die Ampel-Koalition zu beenden.
Ein Sprecher der FDP wollte sich auf Anfrage nicht konkret zu internen Sitzungen äußern. Seit dem Haushalts-Urteil des Bundesverfassungsgerichts im November 2023 hätte „immer wieder und in verschiedenen Runden eine Bewertung der Regierungsbeteiligung“ stattgefunden, teilte er mit. „Selbstverständlich wurden immer wieder Szenarien erwogen und Stimmungsbilder eingeholt.“
„Am Ende gab es zwei Optionen, die Christian Lindner dem Bundeskanzler in einem Gespräch am 3. November vorgeschlagen hat“, sagte der Sprecher weiter. „Eine Einigung auf eine Neuausrichtung der Wirtschaftspolitik oder die geordnete Beendigung der Koalition durch den gemeinsamen Weg zu Neuwahlen.“ Das Ergebnis sei bekannt.
Die Ampel-Koalition war am 6. November am Dauer-Streit um den Kurs in der Haushalts- und Wirtschaftspolitik zerbrochen. Lindner hatte in der Woche zuvor ein 18-seitiges Forderungspapier für eine „Wirtschaftswende“ veröffentlicht, das SPD und Grüne als Affront bewerteten. Kanzler Olaf Scholz (SPD) entschied dann beim Koalitionsausschuss vergangene Woche, Lindner zu entlassen.
Bei den Grünen sorgten die Presseberichte über die Ausstiegsvorbereitungen der FDP nicht für große Verwunderung. Bundesgeschäftsführerin Emily Büning sagte am Samstag am Rande des Grünen-Parteitags in Wiesbaden, mit Lindners „Scheidungspapier“ sei für sie klar gewesen: „Damit soll’s zu Ende gehen.“ Die Grünen machten nicht so eine Politik. Sie seien in die Regierung gegangen, „um Verantwortung zu übernehmen und nicht um Spielchen zu spielen und Theaterszenen zu planen.“
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