Karlsruhe: AfD hat kein automatisches Recht auf Vorsitz von Bundestagsausschüssen

Die AfD hat im Bundestag keinen Anspruch darauf, Vorsitze in Ausschüssen zu übernehmen.

Dass ihre Kandidaten nicht zu Vorsitzenden gewählt wurden, verletzt die Rechte der AfD-Fraktion nicht, wie das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe am Mittwoch entschied. Solche Wahlen seien erlaubt und im Rahmen der Autonomie des Parlaments. (Az. 2 BvE 1/20 und 2 BvE 10/21)

Zwar müssten Ausschüsse die Zusammensetzung des Bundestags spiegeln, wenn sie Aufgaben des Plenums übernähmen oder dessen Entscheidungen vorbereiteten. Das gelte aber nicht für organisatorische Funktionen, sagte Gerichtsvizepräsidentin Doris König bei der Urteilsverkündung.

Das Gericht entschied außerdem, dass der AfD-Abgeordnete Stephan Brandner als Vorsitzender des Rechtsausschusses abgewählt werden durfte. Nach diesem Vorgang Ende 2019, der bis dahin in der Geschichte des Bundestags einmalig war, hatte sich die AfD-Fraktion an das Verfassungsgericht gewandt. Außerdem war sie vor Gericht gezogen, weil ihre Kandidaten für die Vorsitze von drei Bundestagsausschüssen nach der Bundestagswahl 2021 durchgefallen waren.

Die Vorsitzenden der Bundestagsausschüsse spielen eine wichtige Rolle im parlamentarischen Alltag. Sie bereiten die Ausschusssitzungen vor, berufen sie ein und leiten sie. Außerdem repräsentieren sie die Ausschüsse häufig in der Öffentlichkeit. Die parlamentarische Geschäftsordnung sieht vor, dass die Ausschüsse die Vorsitzenden und ihre Stellvertreter nach den Vereinbarungen im Ältestenrat bestimmen. In den vergangenen Jahrzehnten klappte das meist.

Wenn sich die Fraktionen nach einer Bundestagswahl nicht einigen können, kommt das sogenannte Zugriffsverfahren zum Tragen. Dann dürfen die Fraktionen reihum, der Größe nach, auf die Ausschussvorsitze zugreifen. Nach der Bundestagswahl 2021 aber kam es zu einem weiteren Novum im Parlament: Nachdem die Fraktionen im Zugriffsverfahren Anspruch auf verschiedene Ausschussvorsitze erhoben hatten, wurde in jedem Ausschuss eine geheime Wahl beantragt.

Die drei Kandidaten der AfD für die Vorsitze im Innen-, Gesundheits- und Entwicklungsausschuss fielen dabei durch. Die Ausschüsse werden seitdem vorläufig von den stellvertretenden Vorsitzenden geleitet. Das verletzt das Recht der AfD-Fraktion auf Gleichbehandlung nicht, wie das Verfassungsgericht nun entschied.

Der parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion, Johannes Fechner, erklärte nach der Entscheidung aus Karlsruhe: „Die Ausschussvorsitze sind zu wichtig, als dass wir sie mit unqualifizierten Personen besetzen können.“ Die Regierungsfraktionen würden nun vorschlagen, die Geschäftsordnung des Bundestags zu präzisieren, so dass es künftig klare Regeln für die Abwahl von Ausschussvorsitzenden und außerdem von Schriftführern im Bundestagspräsidium gebe.
© AFP

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