Der Einlagezins, zu dem Geschäftsbanken Geld bei der EZB anlegen und nunmehr der zentrale Zinssatz der Notenbank, reduziert sich um 0,25 Prozentpunkte auf 3,5 Prozent. Mit Hinweisen auf weitere mögliche Zinsschritte in diesem Jahr hielt sich EZB-Chefin Christine Lagarde nach dem Treffen des EZB-Rats am Donnerstag in Frankfurt aber zurück.
Es ist die zweite Zinssenkung der Notenbanker in diesem Jahr. Der erste Zinsschritt war im Juni erfolgt, im Juli hielten sie die Zinsen erneut konstant. Zuvor hatte die EZB die Leitzinsen bis Oktober 2023 als Reaktion auf die hohe Inflation schrittweise erhöht.
Die EZB strebt eine Inflationsrate von 2,0 Prozent an, im Euroraum hatte sie sich im August auf 2,2 Prozent abgeschwächt. Allerdings blieb insbesondere die Teuerungsrate bei Dienstleistungen deutlich erhöht. Die Zentralbank verwies nun vor allem auf die steigenden Löhne.
Jedoch lasse auch der Arbeitskostendruck nach, rechtfertigte die EZB ihre Zinssenkung. Gewinne federten die Auswirkungen auf die Inflation „teilweise ab“. Die Konjunktur im Euroraum beschrieb die Notenbank als „nach wie vor gedämpft, worin sich der schwache private Konsum und die schwache Investitionstätigkeit widerspiegeln“.
Mit Blick auf die verbleibenden Sitzungen des EZB-Rates in diesem Jahr, bekräftigte Lagarde, sich nicht auf einen Zinspfad festzulegen. „Wir werden von Treffen zu Treffen entscheiden“, sagte sie. Das Gremium entscheide datenbasierten, die jetzige Entscheidung sei zudem einstimmig gefallen. „Die Leitzins-Senkung ist eine gutes Signal für die Wirtschaft“, erklärte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck.
Für Silke Tober, Expertin für Geldpolitik und Inflation am Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der Hans-Böckler-Stiftung, hätte die Zinssenkung jedoch stärker ausfallen können. „Eine Senkung um einen halben Prozentpunkt wäre das bessere Signal gewesen“, erklärte sie. „Denn während die Inflation unter Kontrolle zu sein scheint und im kommenden Jahr sehr nah am Inflationsziel liegen dürfte, steigen die Risiken für die Konjunktur.“
Der Zinssenkungspfad der EZB sei „richtig und durch die aktuelle Datenlage klar begründet“, erklärte hingegen Jörg Asmussen, Hauptgeschäftsführer vom Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft. Heiner Herkenhoff, Hauptgeschäftsführer des Bankenverbandes, mahnte „Fingerspitzengefühl“ an. „Dazu gehört es auch, den Erwartungen auf schnell aufeinander folgende Zinssenkungen in der Öffentlichkeit entgegenzutreten.“
„Weitere Zinssenkungen erscheinen nur dann angemessen, wenn der Rückgang der Inflation sich fortsetzt“, warnte der Chef des Münchener Ifo-Instituts, Clemens Fuest. Der ING-Analyst Carsten Brzeski erklärte, er erwarte ein „vorsichtiges“ Vorgehen der EZB und daher eher keine weiteren Zinssenkungen noch in diesem Jahr.
Die EZB nahm mit Blick auf die weiteren Leitzinssätze eine technische Anpassung vor: Hauptrefinanzierungssatz und Spitzenrefinanzierungssatz sanken stärker als der Einlagezins – um jeweils 0,6 Prozentpunkte. Bei vorherigen Zinsschritten hatte die Notenbank die drei Leitzinssätze stets einheitlich angepasst.
Durch Anleiheprogramme der EZB, Notkredite in der Krise und auch den hohen Einlagezins haben die Geschäftsbanken mittlerweile so viel Geld auf ihren Konten, dass sie sich weniger Geld bei der Notenbank leihen. Die Bedeutung des Einlagezins nahm daher zu. Der Hauptrefinanzierungssatz, zu dem sich Geschäftsbanken Geld von der EZB leihen können, liegt nun bei 3,65 Prozent, der Zins zur kurzfristigen Beschaffung von Geld, der Spitzenrefinanzierungssatz, bei 3,9 Prozent.
Neben der Leitzinsentscheidung verkündete die EZB ihre angepassten Konjunkturerwartungen. Für das laufende Jahr erwartet sie nun ein Wirtschaftswachstum im Euroraum um 0,8 Prozent. 2025 dann dürfte das BIP um 1,3 Prozent und 2026 um 1,5 Prozent steigen. Im Juni war die Notenbank von jeweils 0,1 Prozentpunkten mehr ausgegangen.
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