Der Einlagezins, zu dem Geschäftsbanken Geld bei der EZB anlegen, fällt damit auf 3,5 Prozent, wie die Notenbank am Donnerstag in Frankfurt am Main mitteilte. Wegen einer technischen Umstellung sanken die beiden weiteren Leitzinssätze, der Hauptrefinanzierungssatz und der Spitzenrefinanzierungssatz, stärker – um jeweils 0,6 Prozentpunkte.
Damit liegt der Hauptrefinanzierungssatz, zu dem sich Geschäftsbanken Geld von der EZB leihen können, bei nun 3,65 Prozent, der Zins zur kurzfristigen Beschaffung von Geld, der Spitzenrefinanzierungssatz, bei 3,9 Prozent.
Es ist die zweite Zinssenkung der Notenbanker in diesem Jahr. Der erste Zinsschritt war im Juni erfolgt, im Juli hielten sie die Zinsen konstant. Zuvor hatte die EZB die Leitzinsen bis Oktober 2023 als Reaktion auf die hohe Inflation schrittweise erhöht.
Die EZB strebt eine Inflationsrate von 2,0 Prozent an, im Euroraum hatte sie sich im August auf 2,2 Prozent abgeschwächt. Insbesondere wegen der steigenden Löhne sei der Inflationsdruck weiter hoch, erklärte die Zentralbank am Donnerstag. Jedoch lasse der Arbeitskostendruck nach, und die Gewinne federn die Auswirkungen auf die Inflation „teilweise ab“. Die Konjunktur im Euroraum beschrieb die Notenbank als „nach wie vor gedämpft, worin sich der schwache private Konsum und die schwache Investitionstätigkeit widerspiegeln“.
Für Silke Tober, Expertin für Geldpolitik und Inflation am Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der Hans-Böckler-Stiftung, hätte die Zinssenkung stärker ausfallen können. „Eine Senkung um einen halben Prozentpunkt wäre das bessere Signal gewesen“, erklärte sie. „Denn während die Inflation unter Kontrolle zu sein scheint und im kommenden Jahr sehr nah am Inflationsziel liegen dürfte, steigen die Risiken für die Konjunktur.“
„Die wirtschaftlichen Daten sind schon seit geraumer Zeit schlecht, die Inflationsdaten gut“, erklärte auch der CSU-Europaabgeordnete Markus Ferber. Die EZB hätte bereits bei ihrer vorherigen Sitzung im Juli die Zinsen senken sollen, anstatt eine Pause einzulegen, aber sie neige dazu, „übervorsichtig zu sein“.
Der Zinssenkungspfad der EZB sei „richtig und durch die aktuelle Datenlage klar begründet“, erklärte Jörg Asmussen, Hauptgeschäftsführer vom Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft. Heiner Herkenhoff, Hauptgeschäftsführer des Bankenverbandes, mahnte „Fingerspitzengefühl“ an. „Dazu gehört es auch, den Erwartungen auf schnell aufeinander folgende Zinssenkungen in der Öffentlichkeit entgegenzutreten.“
Bei vorherigen Zinsschritten hatte die EZB die drei Leitzinssätze stets einheitlich angepasst. Der Hauptrefinanzierungssatz lag einen halben Prozentpunkt über dem Einlagezins und der Spitzenfinanzierungssatz einen Viertelprozentpunkt darüber. Durch Anleiheprogramme der EZB, Notkredite in der Krise und auch den zuletzt hohen Einlagezins haben die Geschäftsbanken mittlerweile aber so viel Geld auf ihren Konten, dass sie sich weniger Geld bei der Notenbank leihen. Die Bedeutung des Einlagezins nahm daher zu.
Die EZB reagierte darauf mit der stärkeren Absenkung der anderen beiden Sätze: Der Hauptrefinanzierungssatz liegt nun nur noch 0,15 Prozentpunkte über dem Einlagezinssatz, der Spitzenfinanzierungssatz 0,35 Prozentpunkte. So soll sich wieder ein stabiler Marktzins bilden. Die Anpassung bei den Abständen zwischen den Leitzinssätzen war bereits im März angekündigt worden.
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