Umstrittene Imam-Entsendung aus der Türkei wird schrittweise beendet

Deutschland hat sich mit der Türkei auf ein schrittweises Ende der Entsendung von staatlich angestellten Imamen verständigt.

Die Bundesregierung hat sich mit der Türkei auf ein schrittweises Ende der umstrittenen Entsendung von staatlich angestellten Imamen verständigt. Beide Seiten vereinbarten stattdessen eine Initiative, mit der pro Jahr 100 Imame in Deutschland ausgebildet werden sollen, wie das Bundesinnenministerium mitteilte. Die Entsendung staatlich bediensteter Religionsbeauftragter aus der Türkei wird demnach Schritt für Schritt „in gleicher Stärke reduziert“.

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) nannte die Vereinbarung „einen wichtigen Meilenstein für die Integration und die Teilhabe muslimischer Gemeinden in Deutschland“. Deutschland brauche „Prediger, die unsere Sprache sprechen, unser Land kennen und für unsere Werte eintreten“, betonte sie. „Wir wollen, dass Imame sich in den Dialog zwischen den Religionen einbringen und Glaubensfragen in unserer Gesellschaft diskutieren.“

Geschlossen wurde die Vereinbarung laut Ministerium mit der türkischen Religionsbehörde Diyanet und der Türkisch-islamischen Union der Anstalt für Religion e.V. (Ditib). Damit endet absehbar die seit langem umstrittene Ausbildungs- und Entsendepraxis der Ditib, dem mit etwa 900 Gemeinden größten Moscheeverband in Deutschland. Bisher werden die Imame aus der Türkei entsandt und sind türkische Staatsbeamte der Diyanet.

Der türkische Islam-Dachverband stellte nach einer Studie der Konrad-Adenauer-Stiftung aus dem Jahr 2019 etwa die Hälfte der damals 2500 Imame in Deutschland. 90 Prozent stammen demnach aus dem Ausland, die meisten davon aus der Türkei.

Kritiker sehen in der Ditib und der Ausbildung der Imame in der Türkei einen zu großen Einfluss des dortigen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan auf die in Deutschland lebenden Muslime. Auch die Haltungen der Ditib etwa zu Israel und dem Völkermord an den Armeniern im osmanischen Reich werden kritisiert.

Die innenpolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion im Bundestag, Lamya Kaddor, lobte die Vereinbarung. Die Kritik an der Ditib hinsichtlich enger Verbindungen mit der Regierung Erdogan bleibe zwar bestehen. Dennoch sei es ein „wichtiges Signal“, dass die Strukturen der Ausbildung von Imamen damit reformiert würden und die direkte Einflussnahme der türkischen Religionsbehörde zurückgedrängt werde.

Die religionspolitische Sprecherin der FDP-Fraktion, Sandra Bubendorfer-Licht, betonte, dass mit dem Auslaufen der Entsendepraxis auch „der massive Einfluss der Diyanet auf die Ditib hier in Deutschland noch viel stärker beschränkt werden“ müsse. „Ein ‚Weiter so‘ bei der strukturellen, finanziellen und personellen Abhängigkeit von Ankara werden wir nicht hinnehmen“, sagte Bubendorfer-Licht.

Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden, nannte die Vereinbarung einen „konsequenten Schritt der Bundesregierung“. Gerade die letzten Wochen hätten gezeigt, dass der Einfluss der Türkei auf die von Ditib betriebenen Moscheegemeinden „nicht mehr tragbar“ sei. Es gelte auch in Zukunft, „einen wachen Blick auf die noch eine Weile hoch bleibende Anzahl aus der Türkei entsandten Imame zu behalten“.

Die Ausbildung der jährlich 100 Imame in Deutschland soll laut Bundesinnenministerium im Rahmen des bestehenden Ditib-Ausbildungsprogramms sowie durch ein zusätzliches Programm erfolgen. Hierfür werde „eine Kooperation mit dem Islamkolleg Deutschland (IKD) angestrebt“.

Im Ende 2019 mit Sitz in Osnabrück gegründeten IKD hatten im September dieses Jahres bereits die ersten 26 Absolventen ihre Abschlussurkunden erhalten. Das Institut wird vom Bundesinnenministerium gefördert und bildet in deutscher Sprache und in Kooperation mit Theologen deutscher Universitäten aus.
© AFP

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