Bis heute leiden Menschen an den Folgen von SED-Unrecht. Die Betroffenen haben eine hohe Rate für psychische Störungen und reagieren knapp 35 Jahre nach der Wende in Stresssituationen körperlich und emotional stärker als ihre Zeitgenossen, wie eine am Donnerstag veröffentlichte Studie von Forschenden der Universitäten Leipzig, Jena, Magdeburg und Rostock zeigt.
Die Experten untersuchten drei Jahre lang die Langzeitfolgen von früheren Repressionen und Traumatisierung. Dazu arbeiteten die Forschenden mit verschiedenen Betroffenengruppen zusammen – sogenannten Zersetzungsopfern, mit Frauen, die Hepatitis-C-verseuchte Anti-D-Prophylaxe erhielten, und zwangsgedopten Leistungssportlern.
„Unsere Forschungsergebnisse belegen, dass die gesundheitlichen Langzeitfolgen von SED-Unrecht auch heute schweres Leid verursachen“, erklärte Jörg Frommer von der Universität Magdeburg. Das betreffe nicht nur ehemals politisch Inhaftierte.
So reagieren Menschen, die in der DDR unter sogenannten Zersetzungsmaßnahmen litten, dem Bericht zufolge noch heute in Stresssituationen körperlich und emotional sehr intensiv. Sie weisen den Forschenden zufolge eine hohe Rate für spezifische psychische Störungen wie Angst oder auch Depressionen auf.
Unter sogenannter Zersetzung sind subtile psychologische Methoden der DDR-Staatssicherheit zu verstehen. Dazu gehörten beispielsweise Einbrüche in Privatwohnungen, das Abhören von Telefonaten oder gezielt gestreute Gerüchte. Damit sollten missliebige Menschen und politische Gegner verunsichert und deren Selbstwertgefühl untergraben sowie Verwirrung und Angst erzeugt werden.
In den Lebensgeschichten von Athleten und Athletinnen, die als Minderjährige im Leistungssportsystem der DDR zwangsgedopt wurden, fand sich demnach ein hohes Maß an traumatischen Belastungen. Die Zahl von depressiven, Angst- und chronischen Schmerzstörungen lag den Forschenden zufolge „ein Vielfaches“ über den Raten in der Allgemeinbevölkerung. Nur bei einer sehr kleinen Minderheit von rund zwei Prozent wurde überhaupt keine psychische Störung im Lebensverlauf diagnostiziert.
Ähnliches berichteten Betroffene, die Hepatitis-C-verseuchte Spritzen erhielten und deren Schäden zu „anhaltender Frustration, Verzweiflung, Misstrauen gegenüber staatlichen Institutionen und zum Rückzug aus dem sozialen Leben führte“. 1978 und 1979 wurden in der DDR rund 6800 Frauen bei einer Anti-D-Immunprophylaxe durch ein verseuchtes Serum mit dem Hepatitis-C-Virus infiziert. Sie übertrugen die Krankheit auf eine unbekannte Zahl von Kindern und Partnern.
Viele dieser Betroffenen „erfahren auch heute noch Ausgrenzung, oft bedingt durch die bürokratischen Strukturen, denen sie ausgesetzt sind“, erklärte Georg Schomerus, Professor für Psychiatrie an der Universität Leipzig. Sie hätten es beim Zugang zu Sozial- und Gesundheitsleistungen besonders schwer. Menschen mit SED-Unrechtserfahrung würden demnach von Mitarbeitern im Gesundheitssystem häufig negativer gesehen als Menschen ohne solche Erfahrungen. Schomerus forderte eine stärkere „Sensibilisierung für die Bedarfe dieser Gruppe“.
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