Polizei und Staatsanwaltschaft sind am Donnerstag mit einer Razzia in acht Bundesländern gegen die sogenannte Reichsbürgerszene vorgegangen. Es seien 20 Wohnungen von 20 Verdächtigen wegen des Verdachts der Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung durchsucht worden, teilte die federführende Generalstaatsanwaltschaft München mit. Die Beschuldigten sollen demnach unter anderem versucht haben, durch massenhafte Kontaktaufnahmen Behörden zu blockieren. Es seien zahlreiche Beweismittel wie Laptops und Smartphones beschlagnahmt worden.
Den Angaben zufolge waren seit Anfang 2021 mehrere Kanäle des Diensts Telegram in den Fokus der Polizei geraten, weil dort für Reichsbürger typische Thesen und Verschwörungstheorien verbreitet wurden. Ab August 2021 sei angeblichen Opfern staatlichen Handelns „Hilfe“ angeboten worden. Der Betreiber der Kanäle habe hierbei die massenhafte Kontaktaufnahme mit Behörden durch Telefon und E-Mail organisiert, um diese zu Entscheidungen im Sinn der Mitglieder der Vereinigung zu zwingen.
Dabei seien die Behördenmitarbeiter mit Reichsbürgerthesen konfrontiert, der Begehung von Menschenrechts- und Kriegsverbrechen bezichtigt, beleidigt und teilweise mit dem Tod bedroht worden. Als Betreiber der Telegram-Accounts konnte ein 58-Jähriger aus Olching bei München ermittelt werden, der im November 2021 festgenommen wurde. Die Razzia richtete sich nun gegen weitere Mitglieder der mutmaßlichen kriminellen Vereinigung.
Nach Angaben von Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) waren 280 Polizisten an der Razzia beteiligt. Außerhalb der sozialen Netzwerke sollen die Verdächtigen aber nicht aktiv geworden sein. „Zu konkreten Übergriffen ist es laut den Erkenntnissen unserer Ermittler bislang nicht gekommen.“
Der mutmaßliche Rädelsführer lebe im Landkreis Fürstenfeldbruck. Da es bei ihm bereits im Vorfeld der Razzia eine Durchsuchung gab, sei er aber nicht von der Razzia betroffen gewesen. Die Beschuldigten sind den Angaben zufolge im Alter von 25 bis 74 Jahren.
Allein in Bayern umfasst die Reichsbürgerszene dem bayerischen Innenministerium zufolge mit Stand 30. September 5549 Menschen. Das sind demnach 189 mehr als Ende 2022. 450 von ihnen stufen die bayerischen Behörden als gewaltorientiert ein.
© AFP