Kurz vor dem Jahreswechsel diskutieren Politik und Polizei darüber, wie erneute Ausschreitungen wie vor einem Jahr verhindert werden können. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) warb für eine zügige Verschärfung des Waffenrechts. Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) warf der Politik vor, „total versagt“ zu haben.
Man dürfe Krawalle nicht herbeireden, aber viel spreche dafür, dass Berlin vor einer ähnlich schwierigen Silvesternacht stehe wie beim vergangenen Jahreswechsel, sagte GdP-Chef Jochen Kopelke der Berliner „tageszeitung“ („taz“ – Freitagsausgabe). Als Grundproblem sah er, dass eine wachsende Gruppe Gewalt gegen andere „hip“ fände. Angriffe auf Polizisten oder Sanitäter förderten hier das eigene Image.
Mit konsequenten Strafen, besseren Präventionskonzepten und mehr Forschung müsse gegengesteuert werden, forderte Kopelke in dem Interview. Gleichzeitig müsse die Frage beantwortet werden, warum diese Gruppen nicht mehr erreicht würden. „Das ist Aufgabe der Politik. Sie hat hier total versagt“, sagte er.
Im TV-Sender „Welt“ kritisierte Kopelke, dass in Berlin-Neukölln eine propalästinensische Demonstration am Silvesterabend angemeldet wurde. „Das ist ein zusätzliches Sicherheitsrisiko“, sagte er. Die Anmelder wollten die Polizei „auf Trab halten“. Aber auch diese Einsatzlage würde bewältigt, versicherte er.
Der innenpolitische Sprecher der Berliner CDU-Fraktion, Burkard Dregger, sagte dem Sender dazu: „Ich hätte hier sicherlich persönlich die Auffassung, dass vieles dafür spricht, eine solche Versammlung zu dieser Uhrzeit nicht stattfinden zu lassen.“
In der Silvesternacht vor einem Jahr waren Einsatz- und Rettungskräfte in Berlin und anderen Städten massiv angegriffen worden. Zum Teil musste die Polizei ausrücken, um Feuerwehrleute beim Löschen von Bränden gegen Angriffe zu schützen. Dieses Jahr werden ähnliche Ausschreitungen befürchtet. ,Polizei und Feuerwehr bereiten sich auf zahlreiche Einsätze vor. Das geplante Großaufgebot an Polizeikräften in der Hauptstadt sei richtig, „um die Treiber der Konflikte früh aus dem Verkehr zu ziehen“, sagte Kopelke der „taz“.
Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner (CDU) kündigte auf dem Portal „Zeit Online“ an: „Wir haben dafür gesorgt, dass die Polizei dieses Jahr besser ausgerüstet ist als letztes Jahr und falls nötig mit voller Härte durchgreift.“ Sie dürfe in der Nacht „alles tun, was gesetzlich erlaubt ist, zum Beispiel auch Wasserwerfer einsetzen, wenn das notwendig ist.“
Am Donnerstag hatten die Berliner Polizei und Feuerwehr in einem auf der Plattform X (früher Twitter) veröffentlichten Video an die Bevölkerung appelliert. „Greift uns nicht an. Beschießt uns nicht mit Böllern, Raketen oder Schreckschusswaffen“, hieß es darin und außerdem: „Bitte respektiert unsere Arbeit, gebt uns genügend Platz dafür und folgt unseren Anweisungen.“
Feuerwehrsprecher Vinzenz Kasch sagte dem Rundfunk Berlin-Brandenburg am Donnerstag, nach den Übergriffen im vergangenen Jahr habe man in den betroffenen Kiezen Projekte mit Jugendlichen angestoßen und die Zusammenarbeit mit der Polizei intensiviert. „Wir können davon ausgehen, dass es auch wieder solche Szenen wie im vergangenen Jahr geben wird – aber wir haben uns da eben jetzt anders aufgestellt, in der Abstimmung mit der Polizei, in der Information der eigenen Einsatzkräfte“, sagte er weiter.
Innenministerin Faeser warnte davor, die geplante Verschärfung des Waffenrechts zu verschleppen. „Es wäre verantwortungslos, diese Diskussion erst nach einer weiteren furchtbaren Gewalttat erneut zu führen“, sagte sie den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Freitagsausgaben).,Kauf und Besitz von Schreckschusswaffen müsse stärker kontrolliert werden. „Wir wollen, dass anders als heute schon für den Erwerb ein Waffenschein nötig ist und damit auch geprüft wird, ob Erkenntnisse der Sicherheitsbehörden vorliegen“, sagte sie. Zudem plädierte sie dafür, Täter mit mindestens einem Jahr Freiheitsstrafe zu bestrafen, wenn sie Polizisten und Rettungskräfte in gefährliche Hinterhalte lockten.
Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) warnte vor Sachschäden an Autos. „An Silvester und Neujahr brennen so viele Autos wie sonst in einem ganzen Monat“, erklärte die stellvertretende GDV-Hauptgeschäftsführerin Anja Käfer-Rohrbach. Nach GDV-Schätzungen dürften Böller, Kanonenschläge und Raketen zum Jahreswechsel bis zu 1000 kaskoversicherte Wagen in Brand setzen.
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