Paritätischer: 14,2 Millionen Menschen in Deutschland von Armut betroffen

Die Armut in Deutschland bleibt einer aktuellen Untersuchung zufolge auf hohem Niveau.

14,2 Millionen Menschen lebten 2022 in Armut, davon rund drei Millionen Kinder: Die Armut in Deutschland bleibt einer aktuellen Untersuchung zufolge auf hohem Niveau. Zwar ging der Anteil nach dem am Dienstag veröffentlichtem Armutsbericht des Paritätischen Gesamtverbands 2022 minimal auf 16,8 Prozent zurück, die absolute Zahl aber stieg um 100.000 gegenüber dem Vorjahr. „Man kann also nicht wirklich von einem Rückgang sprechen, sondern von einem statistischen Flimmern“, sagte Verbands-Hauptgeschäftsführer Ulrich Schneider.

2022 waren dem Bericht zufolge fast eine Million Menschen mehr in Armut als 2019, also vor Pandemie, Energiekrise und hoher Inflation. Im Vergleich zu 2006 erhöhte sich die Zahl um 2,7 Millionen. Die Kinderarmut stieg auf einen Rekordwert: Mit knapp 22 Prozent war mehr als jedes fünfte Kind von Armut betroffen. Unter Alleinerziehenden lag die Armutsquote bei 43,2 Prozent.

Fast zwei Drittel der erwachsenen Armen gingen entweder einer Arbeit nach oder waren in Rente oder Pension. Neben Alleinerziehenden seien kinderreiche Familien und Menschen mit schlechten Bildungsabschlüssen oder mit ausländischen Staatsbürgerschaften von Armut betroffen.

Im regionalen Vergleich ist Deutschland „dreigeteilt“, wie Schneider sagte. In Bayern, Baden-Württemberg und Brandenburg seien die Armutsquoten recht gering. Die meisten Länder bewegten sich etwa um den Mittelwert, während im Saarland, in Sachsen-Anhalt, Nordrhein-Westfalen, Hamburg und Bremen überdurchschnittlich viele Menschen arm sind. „Deutschland driftet regional auseinander“, sagte Schneider.

Bremen wies einen Armutsanteil von 29 Prozent auf. Mit 22,1 Prozent hatte ebenfalls das Ruhrgebiet eine hohe Armutsquote: Mehr als eine Million Menschen lebten hier im Jahr 2022 in Armut. „Das Ruhrgebiet ist armutspolitisch die Problemregion in Deutschland“, sagte Schneider. „Der Gewinner war 2022 Berlin mit einem Rückgang um 2,7 Prozentpunkte.“ In Hamburg dagegen wurde ein Zuwachs von zwei Prozentpunkten verzeichnet.

Der Armutsbericht nutzte Daten des Statistischen Bundesamts. Der Paritätische Gesamtverband legte eine relative Armutsdefinition zugrunde. Demnach gelten alle als einkommensarm, die mit ihren Einkommen unter 60 Prozent des mittleren Einkommens liegen.

Der Verband forderte die Bundesregierung zu entschlossenen Maßnahmen gegen Armut auf. Dazu gehöre unter anderem die Anhebung des Mindestlohns auf 15 Euro, der Ausbau der Kinderbetreuung, eine wirksame Kindergrundsicherung, die Einführung eines Klimagelds und eine solidarische Pflegeversicherung als Vollversicherung. Das von Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) geforderte Moratorium für Sozialleistungen nannte Schneider „geradezu selbstzerstörerisch“. Es würde Deutschland „sozial und politisch noch stärker spalten“ und rechtsextremen Kräften „in die Karten spielen“.

Besorgt zeigten sich Sozialverbände und die Linkspartei. „Wir dürfen trotz der angespannten Haushaltslage nicht die Not der von Armut betroffenen Kinder in Deutschland aus den Augen verlieren“, betonte Holger Hofmann, Bundesgeschäftsführer des Deutschen Kinderhilfswerkes. „Die Kinderarmut in unserem Land bekämpfen wir am besten mit einer Kindergrundsicherung, die zu einer echten Sozialreform zum Wohle der Kinder wird.“

VdK-Präsidentin Verena Bentele erklärte mit Blick auf die Kinderarmut: „Der neue Höchststand zeigt, dass Hilfen offenbar nicht dort ankommen, wo sie am dringendsten gebraucht werden.“ Eric Großhaus von der Organisation Save the Children erklärte: „Rund drei Millionen Kinder müssen unter erschwerten Bedingungen ihren Weg ins Leben finden. Dem Chancenkiller Kinderarmut muss endlich Einhalt geboten werden.“

Die Linkspartei nannte den neuen Armutsbericht „ein unüberhörbares Warnsignal“. Es sei „eine Schande, dass in einem der reichsten Länder der Welt Menschen 40 Stunden in der Woche arbeiten und trotzdem in Armut leben“, erklärte Bundesgeschäftsführerin Katina Schubert. In Deutschland fließe das Geld in die Hände derer, die ohnehin genug hätten. Die Mehrheit gehe leer aus.

Die FDP dagegen sprach sich für niedrigere Steuern und weniger Bürokratie aus. „Ulrich Schneider wäre gut beraten, wenn er Vorschläge macht, damit die Wirtschaft wächst, statt nach mehr Umverteilung zu rufen“, betonte Fraktionsvize Christoph Meyer. „Armut und niedrige Einkommen bekämpfen wir nicht durch immer mehr Umverteilung und überzogene politische Vorgaben, sondern mit Aufstiegschancen durch Wirtschaftswachstum.“
© AFP

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