Marsalek laut Medienberichten offenbar jahrelang für russische Geheimdienste aktiv

Der ehemalige Wirecard-Vorstand Jan Marsalek soll Medienberichten zufolge jahrelang für russische Geheimdienste aktiv gewesen sein.

Einer der größten Wirtschaftsskandale der Bundesrepublik wächst sich wohl aus zum Spionagefall: Der ehemalige Wirecard-Vorstand Jan Marsalek soll Medienberichten zufolge jahrelang für russische Geheimdienste aktiv gewesen sein. Wie der “Spiegel”, das ZDF, der österreichische “Standard” und die russische Plattform The Insider am Freitag unter anderem unter Berufung auf westliche Geheimdienstinformationen berichten, soll der abgetauchte Ex-Manager über einen Vertrauten von 2014 an enge Kontakte zum russischen Militärnachrichtendienst GRU und zu Abgeordneten der Duma geknüpft haben.

Anschließend soll Marsalek auch für Russlands Inlandsgeheimdienst FSB gearbeitet haben. Laut österreichischen Ermittlungsakten sei er Teil einer “nachrichtendienstlichen Zelle” im Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) in Wien gewesen, schreibt der “Standard”.

Die Zelle soll unter Anleitung des gebürtigen Wieners Marsalek für Russland spioniert haben. Ausgespäht wurde demnach eine Vielzahl von Personen, die auffällig oft einen “Zusammenhang mit den Interessenlagen der russischen Föderation” aufwiesen, wie der “Standard” unter Verweis auf vertrauliche Ermittlungsakten berichtet.

“Die Recherchen legen nahe, dass Marsalek über eigene Netzwerke dem Kreml missliebige Personen in Europa ausgespäht hat und womöglich sensible Informationen nach Russland übermittelt haben könnte”, heißt es in dem ZDF-Bericht. Betroffen gewesen seien zum Beispiel in Europa lebende Journalisten. Britische Staatsanwälte werfen Marsalek den Berichten zufolge vor, noch 2023 einen Agentenring in London gesteuert zu haben.

Außerdem soll Marsalek im Mai 2017 mit Wagner-Söldnern in Syrien gewesen sein, wo diese gemeinsam mit russischen und syrischen Truppen gegen Dschihadisten kämpften.

“Über Jahre baute er als Vorstand eines Dax-Konzerns offenbar ungestört ein Spionagenetzwerk auf”, schreibt der “Spiegel”. “Vieles deutet darauf hin, dass Marsalek so auch Wirecard in russische Geheimdienstaktivitäten einspannte. Dass Geld gewaschen wurde, Söldner über das Unternehmen bezahlt wurden.”

Wie die Medien weiter berichten, sollen russische Behörden Marsalek dabei geholfen haben, nach seiner Flucht im Jahr 2020 eine neue Identität anzunehmen. Marsalek gab sich demnach im September 2020 auf der Krim als russisch-orthodoxer Priester aus. Marsaleks Anwalt äußerte sich demnach nicht zu den Vorwürfen. Ein Sprecher der Bundesregierung sagte am Freitag, er könne keine Angaben zu dem Fall machen.

Als Reaktion auf die Vorwürfe gegen Marsalek forderte der Vorsitzende des Parlamentarischen Kontrollgremiums (PKGr), Konstantin von Notz (Grüne), die Beauftragung eines Sonderermittlers. Die Recherchen zeigten sehr wahrscheinlich, dass “es sich um eine russische Spionage-Einflussoperation handelt, und ich könnte mir gut vorstellen, dass man versucht, mit einem Sonderermittler diesen Fragen auf den Grund zu gehen”, sagte von Notz dem ZDF.

“Weil das eine so relevante Sicherheitsfrage für andere Dax-Unternehmen, für die deutsche Wirtschaft, für die deutsche Politik ist”, gebe es die Pflicht, “ganz genau hinzugucken und jetzt wirklich zu ermitteln”, so von Notz.

Der stellvertretende PKGr-Vorsitzende Roderich Kiesewetter (CDU) zeigte sich überzeugt, dass Marsalek jahrelang russischer Agent gewesen sei: “Es vermittelt den Eindruck, dass es sich um eine breit angelegte russische Nachrichtendienstoperation handelt”, so Kiesewetter im ZDF. Wirecard sei darauf ausgelegt worden “Informationen zu beschaffen und auf der anderen Seite aber auch gezielt das Vertrauen in den Finanzmarkt zu stören”.

Marsalek befindet sich seit der Insolvenz des Zahlungsunternehmens Wirecard im Juni 2020 auf der Flucht und wird international gesucht. Vermutet wird er in Russland. Die Insolvenz des ehemaligen Dax-Konzerns gilt als einer der größten Wirtschaftsskandale der Bundesrepublik Deutschland.
© AFP

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