Gutachten: Bund und Länder erfüllen Auftrag zur Notfallversorgung nicht ausreichend

Bund und Länder kommen ihrem Auftrag zur Notfallversorgung ihrer Bürgerinnen und Bürger nur unzureichend nach.

Bund und Länder kommen ihrem Auftrag zur Notfallversorgung nur unzureichend nach. Dies ist das Ergebnis eines am Donnerstag in Berlin vorgestellten Rechtsgutachtens der Björn Steiger Stiftung. Das deutsche Rettungswesen befinde sich gegenwärtig „in einer Systemkrise“, urteilt der Gutachtenersteller und frühere Bundesverfassungsrichter Udo Di Fabio. Verantwortlich macht dieser dafür vor allem die aufgeteilte Zuständigkeit von Bund und Ländern.

Die Probleme: stark und häufig für ‚einfache Erkrankungen‘ beanspruchte Rettungsdienste, schlecht ausgestattete Einsatzfahrzeuge, Leitstellen, die nicht zusammenarbeiten. Dies trifft dabei nicht auf alle Teile Deutschlands gleich stark zu: Das Rettungswesen sei in vielen Regionen „sehr wohl funktionierend“, betonte Di Fabio. Es gebe aber große Qualitätsunterschiede zwischen den Regionen.

Als wesentlichen Grund für die Defizite im Rettungsdienst erachtet Di Fabio die Aufsplitterung der Zuständigkeit zwischen Bund und Ländern. Aus dem Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit bestehe eine Schutzpflicht des Staates, führt der Verfassungsrechtler aus. Der Staat sei deshalb auch verpflichtet, ein funktionierendes Rettungsdienstsystem zur Verfügung zu stellen.

Zuständig für den Rettungsdienst sind bislang die Bundesländer – diese Zuordnung „versteht sich allerdings nicht von selbst“, konstatiert Di Fabio. Der Bund habe eine Steuerungsverantwortung, die er nicht richtig wahrzunehmen bereit sei. „Mein Gutachten ermutigt ihn, diese Steuerungsverantwortung stärker wahrzunehmen.“

Dem Gutachter zufolge könnte der Bund beispielsweise einheitliche Qualitätsstandards für die Notfallrettung stärker formulieren und einfordern. Denn alle Menschen in Deutschland hätten Anspruch auf die gleiche Versorgung. Dabei gehe es um Menschenleben und „die Erhaltung einer wichtigen, tragenden Infrastruktur“, sagte Di Fabio bei der Vorstellung.

Die gemeinnützige Björn Steiger Stiftung wurde 1969 gegründet und setzt sich seitdem für die Verbesserung des Rettungswesens in Deutschland ein. Stiftungspräsident Pierre-Enric Steiger sieht dieses „im internationalen Vergleich weit abgefallen“. Dessen Zustand sei „so prekär, dass wir sagen, in Deutschland sterben jeden Tag Menschen systembedingt“. Er habe deshalb Di Fabio gebeten, zu begutachten, inwieweit das politische Handeln hier noch verfassungskonform sei.

„Wir hoffen und fordern, dass die Politik daraus nun ihre Schlüsse zieht und entsprechend reagiert“, betonte er. Notwendig sei ein „komplettes politisches Umdenken für den Rettungsdienst“. Verantwortlich für die derzeitigen Zustände macht Steiger vor allem die Landes- und Kommunalebene – dort säßen „die Blockierer“. So seien zum Beispiel die regionalen Leitstellen größtenteils nicht vernetzt.

Eine Neuordnung der Notfallversorgung sei „dringend notwendig“, sagte auch der Grünen-Gesundheitspolitiker Janosch Dahmen bei der Vorstellung des Gutachtens. Der ehemalige Rettungsmediziner Dahmen hob dabei das am Mittwoch vom Kabinett beschlossene Gesetz zur Reform der Notfallversorgung vor. Ihm sei es ein „großen Anliegen“, dass das Gutachten bei nun anstehenden parlamentarischen Beratungen des Gesetzes berücksichtigt werde.

Zustimmung zum Gutachten kommt auch von der FDP: Dieses zeige, „dass ein mutiges Vorgehen des Bundes zu guten Ergebnissen für die Patientinnen und Patienten führen kann“, erklärte der FDP-Gesundheitspolitiker Andrew Ullmann.

Der Deutsche Landkreistag mahnte aber im Redaktionsnetzwerk Deutschland bereits, „Dinge zu lassen, die die Planungshoheit der Länder einschränken“.
© AFP

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