Gericht verpflichtet Bundesregierung zu Vorlage von Klimaschutz-Sofortprogramm

Die Bundesregierung hat nach einem Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg gegen das Klimaschutzgesetz verstoßen.

Die Bundesregierung ist gerichtlich zur Vorlage eines Klimaschutz-Sofortprogramms verurteilt worden. Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg bescheinigte der Ampel-Koalition am Donnerstag, gegen das Klimaschutzgesetz verstoßen zu haben. Es verwies auf zu hohe Emissionen in den Bereichen Verkehr und Gebäude. Das Gericht gab damit den Klagen zweier Umweltverbände statt. Die Regierung will die Auswirkungen des Urteils prüfen.

In den beiden Sektoren Verkehr und Gebäude lagen die Treibhausgas-Emissionen 2021 und 2022 über den laut Bundes-Klimaschutzgesetz zulässigen Werten. Dem selben Gesetz zufolge war die Bundesregierung deshalb eigentlich zur Vorlage eines Klima-Sofortprogramm verpflichtet. Dies sollte Maßnahmen enthalten, um die Einhaltung der Sektorenziele für die folgenden Jahre sicherzustellen.

Die Ampel-Koalition beschloss ein solches Sofortprogramm nicht, sondern stattdessen im Oktober das Klimaschutzprogramm 2023. Einer der Kernpunkte dieses Programms ist, dass das Einhalten der Klimaziele künftig sektorübergreifend statt für jeden Bereich einzeln überprüft werden soll. Dazu will die Ampel-Koalition das Bundes-Klimaschutzgesetz reformieren – eine erste Lesung fand Ende September im Bundestag statt. Verabschiedet ist die Vorlage noch nicht.

Hiergegen hatten die Deutsche Umwelthilfe (DUH) und der BUND geklagt. Sie warfen der Bundesregierung eine Nichteinhaltung der Sektorziele für Verkehr und Gebäude vor und verlangten den Beschluss von Sofortprogrammen.

Das Gericht gab den Klagen statt: Die Regierung sei aufgrund der Überschreitungen in den beiden Bereichen zum „schnellstmöglichen“ Beschluss eines Sofortprogramms verpflichtet. Dieses Programm müsse die Einhaltung der im Klimaschutzgesetz genannten Jahresemissionsmengen der beiden Sektoren für die Jahre 2024 bis 2030 sicherstellen, erklärte der Senat.

Das Klimaschutzprogramm 2023 erfüllt nach Auffassung der Richterinnen nicht die gesetzlichen Anforderungen an das Sofortprogramm, da es lediglich „anhand einer sektorübergreifenden und mehrjährigen Gesamtberechnung“ die Erreichung der Klimaziele überprüft. Das Urteil ist allerdings noch nicht rechtskräftig, eine Revision wurde zugelassen.

Die Bundesregierung werde die Urteile und ihre Begründungen, sobald diese schriftlich vorlägen, „im Einzelnen genau auswerten und das weitere Vorgehen prüfen“, erklärte das Bundeswirtschaftsministerium auf Anfrage. Ganz grundsätzlich gelte: „Die Bundesregierung verfolgt eine ambitionierte Klimaschutzpolitik, um die nach dem Klimaschutzgesetz festgelegten Ziele zu erreichen und die verbleibende Klimaschutzlücke zu schließen.“

Das Bauministerium will die Urteile ebenfalls auswerten, sobald sie vorliegen. „Wie wir darüber hinaus weiter vorgehen, werden wir nach Vorliegen der Begründung prüfen“, teilte eine Sprecherin des Ministeriums auf Anfrage mit. Dazu gehöre „selbstverständlich auch die Prüfung von Maßnahmen, die den Urteilen des Gerichts gerecht werden“.

Die klagenden Umweltverbände bewerteten die Gerichtsentscheidung als großen Erfolg. Die DUH sprach von einem „bahnbrechenden Urteil“, ihr Geschäftsführer Jürgen Resch von „einer schallenden Ohrfeige für die Bundesregierung wegen ihrer katastrophalen Klimapolitik“. Er forderte unter anderem ein Tempolimit von 100 Stundenkilometern auf Autobahnen, 80 Stundenkilometern außerorts und Tempo 30 für die Stadt.

BUND-Geschäftsführerin Antje von Broock erklärte: „Mit dem heutigen Urteil ist die Bundesregierung dazu verpflichtet worden, beim Klimaschutz nachzulegen.“ Sie forderte die Ministerien für Verkehr, Bau und Wirtschaft zur raschen Vorlage „ambitionierter Maßnahmen“ auf. Als Beispiele nannte sie ein Tempolimit und die Abschaffung der Steuervorteile für Diesel und Kerosin.

Der Sprecher der Unionsfraktion für Klimaschutz, Andreas Jung (CDU), sagte der Nachrichtenagentur AFP: „Die Bundesregierung hält sich nicht an die Vorgaben des Klimaschutzgesetzes und will stattdessen die darin enthaltenen Regelungen abschwächen.“ Der „selbsternannte Klimakanzler“ Olaf Scholz (SPD) müsse diesem Anspruch endlich gerecht werden.

Das Urteil stärke „den Gesichtspunkt der Verbindlichkeit, wenngleich die Revision ausdrücklich zugelassen worden ist“, sagte SPD-Fraktionsvize Matthias Miersch der „Rheinischen Post“. Er kündigte eine genaue Analyse der Urteilsgründe an, um das weitere Vorgehen zu prüfen.

Für die Grünen-Fraktionschefin Katharina Dröge hat das Gericht deutlich gemacht: „Mehr Anstrengung ist notwendig.“ Es brauche Tempo beim Klimaschutz, besonders im Verkehrs- und Gebäudebereich, betonte sie.
© AFP

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