In diesem Jahr rechnen Experten in Deutschland mit vielen Infektionen durch die von Zecken übertragene Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME). Die Zecken seien aufgrund meist milderer Winter inzwischen ganzjährig aktiv, erklärten sie am Dienstag bei einer von der Universität Hohenheim ausgerichteten Pressekonferenz. Dazu gebe es üblicherweise alle zwei Jahre besonders viele FSME-Fälle in Südwestdeutschland. Dies sei auch 2024 zu erwarten.
„Auch in diesem Jahr gibt es bereits erste Fälle in Baden-Württemberg und Bayern“, berichtete Ute Mackenstedt, Parasitologin an der Universität Hohenheim. „Bei einem Vorlauf von vier Wochen bis zur Diagnose muss die Infektion mitten im Winter stattgefunden haben – Zecken haben also keine Winterpause mehr, das FSME-Geschehen verlagert sich nach vorn.“
Insgesamt ging die Zahl der FSME-Infektionen in Deutschland im vergangenen Jahr laut Experten zwar zurück, dieses ist demnach aber lediglich eine Art Ausreißer. Die generelle Entwicklung weise eindeutig in eine andere Richtung. „Diese Zahlen täuschen“, erklärte Rainer Oehme, Laborleiter des baden-württembergischen Landesgesundheitsamts, bei der Veranstaltung.
„Infektionszahlen unterliegen immer jährlichen Schwankungen., doch der längerfristige Trend zeigt deutlich nach oben“, betonte der Experte. Auch in den Regionen nördlich der Mittelgebirge, in denen bislang nur wenige FSME-Infektionen gezählt worden waren, stiegen die Zahlen „massiv“ an. Dies betreffe etwa Sachsen, Brandenburg, Niedersachsen oder Thüringen.
Laut Daten des Robert-Koch-Instituts (RKI) wurden in Deutschland im vorigen Jahr 527 FSME-Fälle gemeldet, 100 weniger als im Vorjahr 2022. Nach wie vor sind dabei die südlichsten Bundesländer Bayern und Baden-Württemberg am stärksten betroffen. 85 Prozent aller Infektionen ereignen sich trotz Zunahme der Infektionszahlen weiter nördlich noch immer dort.
FSME ist eine virusbedingte Hirnhaut- oder Gehirnentzündung, die durch Zeckenbisse übertragen wird. Allerdings sind nicht alle Zeckenbestände infiziert. Besonders verbreitet ist das FSME-Virus in Populationen in sogenannten Risikogebieten. Laut Informationen des RKI zählten im vergangenen Jahr 178 Landkreise dazu, vor allem im Süden und Südosten.
Die Experten warnten am Dienstag zudem vor einer hohen Dunkelziffer. Dabei verwiesen sie auf Ergebnisse eine Untersuchung von Mikrobiologen der Universität der Bundeswehr in München im baden-württembergischen Ortenaukreis. Diese untersuchten das Blut von Blutspendern mit neuen Verfahren auf Antikörper durch nicht erkannte Ansteckungen. Demnach waren Infektionen in der Region siebenmal häufiger, als bislang angenommen worden war.
Seit einiger Zeit ist zudem bekannt, dass Zecken von milderen Wintern ohne starke Schneefälle im Zuge des Klimawandels profitieren. Sie bleiben dadurch potenziell das ganze Jahr über aktiv. Auch vor diesem Hintergrund riefen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler am Dienstag dazu auf, sich gegen FSME impfen zu lassen. Dies sei vor allem für Kinder wichtig.
„Auch bei Kindern kann es einen schweren Verlauf geben – bis hin zu künstlicher Beatmung und Ernährung“, erklärte Gerhard Dobler, Leiter des Nationalen Konsiliarlabors FSME am Institut für Mikrobiologie der Bundeswehr in München. Auch außerhalb von Risikogebieten seien zudem Impfungen gegen FSME generell für alle Menschen sinnvoll, fügte er hinzu.
Die Universität Hohenheim in Baden-Württemberg veranstaltet im Frühjahr einen Fachkongress zum Thema Zecken und FSME. Im Vorfeld informieren Experten dabei traditionell über aktuelle Trends und neue Erkenntnisse.
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