Polizeistreifen, die anlasslos unterwegs sind, führen im hessischen Kassel einem Experiment zufolge nicht zu einem höheren Sicherheitsgefühl der Menschen. „Paradoxerweise kann die Wahrnehmung von Polizeipräsenz furchtsteigernd auf die Menschen wirken, selbst wenn sie sich vorher genau diese Maßnahme zur Verbesserung der Sicherheit gewünscht haben“, erklärte Tim Pfeiffer von der Justus-Liebig-Universität (JLU) Gießen laut einer Mitteilung der Stadt Kassel vom Freitag.
Bei dem bundesweit einmaligen Experiment der Professur für Kriminologie der JLU mit dem Polizeipräsidium Nordhessen und der Stadt Kassel wurde erforscht, ob eine präventive und anlasslose höhere Polizeipräsenz dabei hilft, die Sicherheit in der Stadt zu verbessern. Rund ein Jahr lang lief das Experiment.
Dafür wurde das Stadtgebiet in Rasterzellen aufgeteilt. 20 davon wurden zu Beginn des Experiments zufällig ausgewählt, 20 weitere waren als Kontrollzellen definiert. Zudem gab es 2022 und 2023 zwei stadtweite Befragungen, in den zufällig ausgewählte Bürger Auskunft über ihr Sicherheitsgefühl gaben. Ohne es den Befragten oder der Öffentlichkeit mitzuteilen, wurde die Polizeipräsenz in 20 Rasterzellen erhöht, in den Kontrollzellen hingegen nicht.
In den 20 Zellen mit erhöhter Präsenz waren ein Jahr lang dreimal pro Woche je zwei Polizisten für ungefähr 15 Minuten zu Fuß unterwegs. Der Streifenwagen stand währenddessen dort geparkt. Ein ausführlicher Forschungsbericht soll noch in diesem Jahr erscheinen.
„Wo Menschen sich sicher fühlen, hat das auch unmittelbar positive Auswirkungen auf die Lebensqualität einer Stadt“, erklärte Kassels Oberbürgermeister Sven Schoeller (Grüne). Der Aspekt der Sicherheit genieße hohe Priorität.
Bei der Bekämpfung von Kriminalität setze die Polizei auf eine Mischung aus Prävention und Verfolgung, erklärte Polizeipräsident Konrad Stelzenbach. Wenn die Polizei sichtbar handle, könne neben der Verhinderung von Straftaten das Sicherheitsgefühl der Bevölkerung nachhaltig gestärkt werden.
Das Ergebnis der Forscher fällt jedoch etwas anders aus: Sähen Menschen beim Blick aus dem Wohnungsfenster häufiger die Polizei, könne sich das negativ auf das Sicherheitsgefühl auswirken, erklärte Projektleiter Pfeiffer. „Es scheint die Meinung vorzuherrschen: Wo Polizei ist, da passiert auch was.“
Das Ergebnis sei interessant, weil die Präsenz der Stadtpolizei bei ihren nächtlichen Streifenfahrten von der Bevölkerung durchweg positiv bewertet werde, erklärte Ordnungsdezernent Heiko Lehmkuhl (CDU).
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