Zwischen 2017 und 2022 war der Wald daher erstmals seit Jahrzehnten selbst eine „Kohlenstoffquelle“, statt den CO2-Gehalt in der Luft zu senken, wie das Bundeslandwirtschaftsministerium in Berlin bei der Vorstellung der Bundeswaldinventur mitteilte. Verbände forderten naturnahe Wälder und kritisierten die Forstwirtschaft.
Die Auswirkungen des Klimawandels machen sich den Angaben nach auch im deutschen Wald bemerkbar. In den vergangenen Jahren seien mehr Bäume durch Stürme, Dürre und Käferbefall zerstört worden, als neue Biomasse hinzukam. Die „Klimakrise“ habe den Wald „erheblich geschädigt“, erklärte das Ministerium von Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne). Demnach nahm der Kohlestoffvorrat im Wald seit 2017 um 41,5 Millionen Tonnen ab.
Insbesondere der Bestand der Fichten ging seit 2018 wegen Trockenheit und Borkenkäferbefall deutlich zurück, wie das für die Bundeswaldinventur zuständige Thünen-Institut mitteilte. Die Waldfläche insgesamt blieb den Angaben nach weitgehend stabil bei 11,5 Millionen Hektar, wobei der Anteil der Laubbäume um sieben Prozent auf nunmehr 48 Prozent zunahm. Das sei „ermutigend“, da ein höherer Laubbaum-Anteil die „Resilienz gegen das sich verändernde Klima steigert“, erklärte das Ministerium.
Mit dem Anteil an Laubbäumen nahm auch der Anteil der Mischwälder leicht zu, auf 79 Prozent. Dies wertete das Ministerium als „positives Signal“ für die Biodiversität. „Mischwälder bieten eine höhere Widerstandsfähigkeit gegenüber Schädlingen und Krankheiten sowie eine bessere Anpassungsfähigkeit an den Klimawandel“.
Die positive Entwicklung bei den Laubbäumen darf laut Greenpeace aber nicht darüber „hinwegtäuschen“, dass das „Waldsterben ungebremst“ voranschreitet. Grund dafür sei die „intensive Forstwirtschaft“, erklärte die Umweltorganisation. „Sie hat unsere Wälder dermaßen geschwächt, dass diese der Klimakrise und allen damit verbundenen Herausforderungen wie Dürren, Feuer und Käferbefall schutzlos ausgeliefert sind“, kritisierte Dorothea Epperlein von Greenpeace.
Der agrarpolitische Sprecher der Grünen im Europäischen Parlament, Martin Häusling, bescheinigte dem Zustand des deutschen Waldes die Schulnote „Vier Minus“. „Zeit, sich von der Illusion zu verabschieden, dass der deutsche Wald als Kohlenstoffsenke es schon richten wird mit dem Klimaschutz – der Wald emittiert nun selbst Treibhausgase“, erklärte er. Auch er appellierte an die Forstwirtschaft, sich in Zukunft noch stärker auf den Schutz und die Schonung des Waldes konzentrieren.
Nach Ansicht der Waldeigentümer (AGDW) verdeutlichen die Ergebnisse des Berichts hingegen, „dass Deutschlands Wälder auch im Zeichen der Klimakrise nachhaltig bewirtschaftet werden“. Ausdruck davon sei die gezielte Entwicklung von Mischwäldern. In den vom Borkenkäfer betroffenen Regionen sei die „Wiederbewaldung“ bereits in „vollem Gange“.
Das Durchschnittsalter der Bäume erhöhte sich laut Bundeswaldinventur zwischen 2012 und 2022 um fünf Jahre und liegt bei derzeit 82 Jahren. 20 Prozent der Wälder sind älter als 120 Jahre, 30 Prozent älter als 100 Jahre. Der Fachverband Holzenergie (FVH) im Bundesverband Bioenergie forderte eine Verjüngung des Waldes in Deutschland. „Da alte Bäume sowohl schadanfälliger sind und weniger CO2 binden als junge, müssen wir den Wald jetzt aktiv nutzen und an den Klimawandel anpassen“, erklärte Gerolf Bücheler, Geschäftsführer des FVH.
Die Bundeswaldinventur findet alle zehn Jahre statt. Nach Angaben des Thünen-Instituts wurden dafür mehr als 520.000 Bäume an 80.000 Stichprobenpunkten erfasst und vermessen. Die nun veröffentlichten Daten decken den Zeitraum zwischen 2012 und 2022 ab.
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