Bundesverfassungsgericht sieht keinen Anspruch auf höheres Bafög für Studierende

Mit dem Bafög muss der Staat nicht alle finanziellen Hindernisse für den Zugang zu einem Studium beseitigen.

Aus dem Grundgesetz ergibt sich kein Anspruch auf höhere, existenzsichernde Leistungen für Studierende, wie das Bundesverfassungsgericht laut einem am Mittwoch in Karlsruhe veröffentlichten Beschluss entschied. Konkret ging es um den Zeitraum zwischen Oktober 2014 und Februar 2015. (Az. BvL 9/21)

Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hatte den Richterinnen und Richtern in Karlsruhe die Frage vorgelegt, ob der monatliche Bedarfssatz für diesen Zeitraum mit dem Grundgesetz vereinbar sei. Die Grundpauschale betrug damals 373 Euro. Mit dem Bafög wird die Ausbildung an Hochschulen, berufsbildenden Schulen, Kollegs oder Akademien gefördert, wenn die Eltern nicht genug Geld für die Unterstützung ihrer Kinder in einer solchen Ausbildung haben.

Das Einkommen von Eltern oder Ehepartnern wird dabei angerechnet. Das Bafög für Studierende ist zur Hälfte ein Zuschuss, die andere Hälfte ein Darlehen. Es setzt sich zusammen aus einer Grundpauschale, einer Unterkunftspauschale und einem Kranken- und Pflegeversicherungszuschlag sowie Zusatzleistungen für Auszubildende mit Kindern.

Vor das Bundesverwaltungsgericht war eine frühere Masterstudentin gezogen, die Bafög bezog. Zunächst waren es 176 Euro und später 249 Euro monatlich. Diese Summe hielt sie für zu niedrig. Das Bundesverwaltungsgericht war der Auffassung, dass der Bedarfssatz mit dem Recht auf gleichberechtigten Zugang zu staatlichen Ausbildungsangeboten nicht vereinbar sei. Es fragte das Verfassungsgericht danach.

Dieses erklärte aber nun, dass die Pauschale für diesen Zeitraum mit dem Grundgesetz vereinbar sei. Aus dem Recht auf gleiche Teilhabe am staatlichen Studienangebot leite sich kein Anspruch darauf ab, dass die materiellen Voraussetzungen gewährleistet werden müssten. Es umfasse kein Recht auf staatliche Leistungen zur Beseitigung von Hindernissen, die den gesellschaftlichen Verhältnissen geschuldet seien.

Bedürftige hätten Anspruch auf existenzsichernde Leistungen, wenn sie sich selbst keine menschenwürdige Existenz sichern könnten, führte das Gericht aus. Dieser Anspruch sei auf die unbedingt notwendige Summe beschränkt und bestehe nicht, wenn die Bedürftigkeit beispielsweise durch die Annahme eines Jobs vermieden werden könne – auch wenn dann ein Hochschulstudium nicht möglich sein sollte.

Karlsruhe gesteht dem Gesetzgeber hier einen Gestaltungsspielraum zu. Dieser habe zwar den Auftrag, gleiche Bildungs- und Ausbildungschancen zu fördern. Da seine Mittel begrenzt seien, müsse er aber Prioritäten setzen. Nur wenn ganze Bevölkerungsgruppen von vornherein keine Chance auf den Zugang zu bestimmten Ausbildungs- und Berufsfeldern hätten, müssten weitere Maßnahmen ergriffen werden.

Solche Zustände sieht das Gericht bei der Hochschulausbildung aber nicht: Gerade hier sorge der Staat mit dem Bafög und staatlichen Hochschulen für soziale Durchlässigkeit, stellte es fest.

Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft zeigte sich enttäuscht. Der Beschluss mute Studierenden letztlich zu, ihr Studium abzubrechen, wenn sie dafür keine ausreichende Finanzierung hätten, kritisierte der stellvertretende GEW-Vorsitzende Andreas Keller. Die Gewerkschaft forderte von der Bundesregierung, die Entscheidung nicht zum Anlass zu nehmen, „in Sachen Bafög-Reform die Hände in den Schoß zu legen“.

Ähnlich äußerte sich das Deutsche Studierendenwerk. Das Bafög reiche „hinten und vorne nicht“. Die Höhe der Förderung müsse „im Parlament und nicht vor Gericht geklärt werden“, forderte der Vorstandsvorsitzende Matthias Anbuhl.

Der Grünen-Bundestagsabgeordnete Kai Gehring, Vorsitzender des Bildungsausschusses, erklärte: „In dieser Wahlperiode hat die aktuelle Regierungskoalition das größte Plus aller Zeiten für das Bafög beschlossen und eine dringende Trendwende eingeleitet.“ Unerlässlich und überfällig sei ein „regelmäßiger, verlässlicher und transparenter Erhöhungsmechanismus“.

Linken-Bildungsexpertin Nicole Gohlke sprach von einem harten Schlag „für alle armutsbetroffenen Studierenden“. Der Ball liege klar bei der Politik, „die einzig handeln kann und muss“.
© AFP

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