Zum Auftakt des Bundesparteitags haben die SPD-Vorsitzenden Saskia Esken und Lars Klingbeil für ein starkes soziales Profil und einen aktiven Staat beim klimaneutralen Umbau der Wirtschaft geworben. In ihren Bewerbungsreden zur Wiederwahl kritisierten sie am Freitag die Union wegen Forderungen nach Sozialkürzungen und plädierten vor dem Hintergrund der Haushaltskrise erneut für eine Lockerung der Schuldenbremse. Applaus von den Delegierten gab es zum Auftakt trotz schwacher Umfragewerte für Kanzler Olaf Scholz (SPD).
„Wir schlagen eine Schuldenregel vor, die Zukunftsinvestitionen anders behandelt als laufende Kosten“, sagte Esken auf dem Parteitag unter dem Motto „Deutschland.Besser.Gerecht“. Die Finanzierung großer Generationenaufgaben „können wir nicht aus dem Haushalt stemmen“. Ähnlich äußerte sich Klingbeil.
Die Forderung findet sich auch in einem Leitantrag der Parteiführung unter dem Titel „Zusammen für ein starkes Deutschland“. Von den Jusos wurde aber ein Änderungsantrag eingebracht, in dem eine Abschaffung der Schuldenbremse gefordert wird. „Lasst uns diese Fessel endlich abschütteln“, sagte der Juso-Vorsitzende Philipp Türmer in der Debatte. Der Präsident des Deutschen Naturschutzrings (DNR), Kai Niebert, warnte mit Blick auf die Schuldenbremse davor, die Zukunft des Landes „durch die im Grundgesetz verankerte Geiz-ist-geil-Mentalität gegen die Wand zu fahren“.
Der Antrag der Parteiführung fordert auch eine höhere Besteuerung von Reichen und die Reform der Erbschafts- und Schenkungssteuer. Mit einem staatlichen Deutschlandfonds will die SPD-Führung zudem Investitionen in Projekte zum klimaneutralen Umbau der Wirtschaft fördern. In Änderungsanträgen wurde zudem eine Vermögensteuer oder eine einmalige Vermögensabgabe gefordert, um wachsender Ungerechtigkeit bei der Einkommens- und Vermögensverteilung entgegenzuwirken.
Klingbeil warf CDU-Chef Friedrich Merz vor, er verkörpere eine neoliberale „Wirtschaftspolitik der 90er Jahre“, die eine aktive Rolle des Staates bei Investitionen in die klimaneutrale und digitale Modernisierung ablehne. „Friedrich von gestern wird niemals die Zukunft unseres Landes sein.“ ,“Der Markt alleine wird es nicht regeln“, betonte Klingbeil. Die SPD werde nicht akzeptieren, dass ganze Industriezweige abgeschrieben würden. „Wir kämpfen um jeden Industriearbeitsplatz.“
Die SPD sei bei der Krisenbewältigung nicht bereit, “ unseren Sozialstaat aufzugeben“, sagte Esken mit Blick auf Forderungen aus Union und FDP nach Sozialkürzungen wegen der Haushaltsprobleme. Sie stellte sich dabei auch ausdrücklich hinter die geplante Kindergrundsicherung.
Hart attackierte Esken CDU-Chef Merz. „Für den billigen Erfolg einer Schlagzeile nimmt er in Kauf, das Land zu spalten“, sagte sie. „Das ist verantwortungslos.“ Die Merz-CDU sei „die populistischste Opposition aller Zeiten“. CDU und CSU „hetzen im Chor mit der AfD gegen die ‚Ampel'“.
Klingbeil ging die AfD hart an. Diese hetze gegen Menschen mit anderem Glauben, verachte Demokratie und Rechtsstaat und stehe für weniger Arbeitnehmerrechte und schlechtere Löhne. Sie dürfe deshalb niemals an die Macht kommen. Klingbeil rief die SPD dazu auf, „Bollwerk gegen die AfD“ zu sein.
Mehrere Rednerinnen und Redner drangen auf mehr Investitionen eine sozial gerecht gestaltete Transformation der Wirtschaft. „Klimaschutz funktioniert nur, wenn der soziale Zusammenhalt und die ökologische Notwendigkeit Hand in Hand gehen“, sagte Fraktionsvize Matthias Miersch. „Wir brauchen ein Sondervermögen Transformation von mindestens 100 Milliarden Euro“, sagte Niebert.
Bei der Wahl der Parteispitze gab es keine Gegenkandidaten zu Esken und Klingbeil. Auch SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert bewirbt sich um eine weitere Amtszeit auf seinem Posten. Das Abstimmungsergebnis wurde im Laufe des Nachmittags erwartet.
Angesichts von Umfragewerten von zuletzt nur noch 14 bis 17 Prozent gibt es insbesondere von den Jungsozialisten Kritik auch am Kanzler. Juso-Chef Türmer verlangte in der „Rheinischen Post“, Scholz müsse mehr „für sozialdemokratische Prinzipien einstehen und dafür in der Koalition kämpfen“. Der Kanzler spricht am Samstagvormittag auf dem Parteitag.
© AFP