Ungeachtet parteiinterner Kritik hat sich die SPD-Spitze klar hinter die geplante Stationierung von US-Raketen größerer Reichweite in Deutschland gestellt. Das SPD-Präsidium rechtfertigte sie in einem Beschluss mit der Bedrohung durch Russland, sagte dabei aber auch eine Debatte des Bundestags nach der Sommerpause über das umstrittene Thema zu.
„Dieser Schritt ist eine Reaktion auf den eklatanten Völkerrechtsbruch Russlands in der Ukraine“, heißt es in einem Beschluss des Parteipräsidiums vom Montag. Er trage „der Bedrohung Europas durch die massive russische Aufrüstung der vergangenen Jahre gerade im Bereich der Raketen mittlerer Reichweite Rechnung“.
Die Stationierung sei „keine konfrontative Aufrüstung“, betont die SPD-Führung, „sondern eine Stärkung der Verteidigung unseres Landes und der Bündnisfähigkeit von Nato und EU mit Waffensystemen, über die Russland seit Jahren verfügt“. Die US-Waffen würden „mit konventionellen Sprengköpfen“ ausgestattet. „Eine nukleare Bewaffnung der Systeme ist nicht vorgesehen.“
„Als SPD übernehmen wir Verantwortung dafür, dass kein Kind, das heute in Deutschland geboren wird, wieder Krieg erleben muss“, heißt es in dem Text weiter. Dafür sei die Stationierung der US-Raketen „ein wichtiger Baustein“.
Die Stationierung hatten Deutschland und die USA am 10. Juli am Rande des Nato-Gipfels in Washington verkündet. Demnach sollen ab 2026 erstmals seit den 1990er Jahren wieder US-Mittelstreckenwaffen in Deutschland stationiert werden. Darunter sind Tomahawk-Marschflugkörper, die je nach Modell Ziele in einer Entfernung 1300 bis 2500 Kilometern treffen können, sowie noch in der Entwicklung befindlichen Hyperschallwaffen.
An den Plänen gab es auch bei den Sozialdemokraten Kritik, Bundestags-Fraktionschef Rolf Mützenich hatte gesagt, die „Gefahr einer unbeabsichtigten militärischen Eskalation“ sei beträchtlich.
Die SPD-Führung plädierte nun angesichts der umfassenden Veränderung der europäischen Sicherheitsarchitektur für eine öffentliche Debatte – auch im Parlament: „Der Deutsche Bundestag wird sich nach der parlamentarischen Sommerpause umfassend mit den aktuellen Entwicklungen rund um die geplante Stationierung der US-Raketen in Deutschland befassen“, kündigte das Präsidium in dem Beschluss an. Eine Debatte des Bundestags mit der Stationierung hatte auch die Union gefordert.
Einen konkreten Termin gibt es nach Angaben der SPD-Fraktion bisher nicht. Da im September zunächst der Haushalt 2025 auf der Parlamentsagenda steht, käme frühestens die zweite Sitzungswoche vom 23. bis zum 27. September in Betracht. Der Termin läge damit nach den Landtagswahlen in Thüringen, Sachsen und Brandenburg.
In Ostdeutschland ist der Stationierungsbeschluss für Wahlkämpfer der Sozialdemokraten ein Problem: Dort lehnen nach einer Forsa-Umfrage für den Sender RTL von Ende Juli besonders viele Menschen die Stationierung der US-Waffen ab (74 Prozent). Das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) will dies bei den Wahlen in Thüringen, Sachsen und Brandenburg im September nutzen. Es hat den Verzicht auf die Stationierung zur Bedingung für Koalitionen auf Landesebene gemacht.
Die BSW-Vorsitzende Sahra Wagenknecht bekräftigte, die Landeswahlen im Osten seien „auch eine Abstimmung über Krieg und Frieden“. Sie bezeichnete die US-Raketen im Deutschlandfunk als „Angriffswaffen“, mit denen Deutschland in die Ziellinie russischer Angriffs- und auch Atomraketen gerate. Dies sei „eine hochgefährliche Entwicklung“.
© AFP