Schuldzuweisungen nach Sieg von AfD-Kandidat bei Oberbürgermeisterwahl in Pirna

Die Wahl des AfD-Kandidaten Tim Lochner zum neuen Oberbürgermeister im sächsischen Pirna hat besorgte Reaktionen sowie Schuldzuweisungen ausgelöst.

Die Wahl des AfD-Kandidaten Tim Lochner zum neuen Oberbürgermeister im sächsischen Pirna hat besorgte Reaktionen sowie Schuldzuweisungen ausgelöst. Die Freien Wähler in Sachsen kritisierten die CDU am Montag als „Steigbügelhalter“ der AfD, während die Organisation Mehr Demokratie das sächsische „Steinzeitwahlrecht“ für das Ergebnis verantwortlich machte und die Einführung von Stichwahlen forderte. Der Deutsche Städtetag äußerte sich „beunruhigt“.

Mit Lochner stellt die AfD bundesweit erstmals einen Oberbürgermeister. Er setzte sich im zweiten Wahlgang am Sonntag laut vorläufigem Ergebnis mit 38,54 Prozent der Stimmen gegen den Kandidaten der Freien Wähler, Ralf Thiele, sowie CDU-Bewerberin Kathrin Dollinger-Knuth durch. Das südöstlich von Dresden am Elbsandsteingebirge gelegene Pirna hat 40.000 Einwohner.

Den ersten Wahlgang am 26. November hatte Lochner vor dem zweitplatzierten Thiele und der drittplatzierten Dollinger-Knuth gewonnen. Ebenfalls ins Rennen gegangene Kandidaten von Linken, SPD und Grünen verzichteten danach zugunsten der CDU-Kandidatin auf eine neue Kandidatur in der zweiten Runde.

Durch ihr Festhalten an der eigenen Kandidatin im zweiten Wahlgang habe die CDU „bewusst in Kauf genommen, für die AfD den Steigbügelhalter zu spielen“, erklärte der sächsische Landesvorsitzende der Freien Wähler, Thomas Weidinger, am Montag. Das Ergebnis sei vorhersehbar gewesen. „Der Machterhaltungstrieb der CDU war aber wohl zu groß, um sich selbst einmal zu Gunsten eines bürgerlichen Kandidaten wie Ralf Thiele zurückzunehmen.“

Der sächsische Landesverband von Mehr Demokratie forderte eine Reform des sächsischen Wahlrechts. „Es sollte eine Stichwahl geben, bei der nur die beiden verbliebenen Kandidaten antreten. Gewählt ist, wer die Mehrheit der Stimmen erreicht. Andere Bundesländer machen das besser“, erklärte Landesvorstandssprecher Frank Rosberger am Montag. Dass ein Kandidat ohne absolute Mehrheit Oberbürgermeister werden könne, sei „kaum vermittelbar“.

Mit der Wahl Lochners besetzt die AfD deutschlandweit nun zwei kommunale Spitzenposten. Im Juni gewann der AfD-Politiker Robert Sesselmann im thüringischen Kreis Sonneberg erstmals einen Landratsposten für die Partei.

Der sächsische Landesverfassungsschutz stufte die AfD im Freistaat in der vergangenen Woche als gesichert rechtsextremistisch ein. Nach Thüringen und Sachsen-Anhalt ist die sächsische AfD bereits der dritte Landesverband der Partei mit einer solchen Einstufung. In Sachsen wird am 1. September kommenden Jahres ein neuer Landtag gewählt.

Der Deutsche Städtetag reagierte am Montag beunruhigt auf den Wahlausgang in Pirna. „Das ist Demokratie, das Ergebnis beunruhigt uns im Deutschen Städtetag aber sehr“, erklärte der kommunale Spitzenverband. Es zeige, dass heutzutage „vielerorts ein Riss durch unsere Gesellschaft“ gehe.

Der Linken-Bundesvorsitzende Markus Schirdewan machte „eine Politik der Ignoranz und der sozialen Kälte“ der Ampelkoalition auf Bundesebene für ein Erstarken der AfD verantwortlich. Vor diesem Hintergrund befürchte er „noch weitere solche Wahlergebnisse“, sagte Schirdewan am Montag in Berlin.

Entsetzt und selbstkritisch äußerten sich die sächsischen Grünen. Die Wahl Lochners sei ein „Dammbruch für Sachsen“, erklärte Kovorsitzende Christin Furtenbacher am Montag Kovorsitzende Marie Müser betonte, das Ergebnis in Verbindung mit einer Wahlbeteiligung von nur 53 Prozent zeige deutlich, dass demokratische Parteien „zu viele Menschen aktuell nicht erreichen“.
© AFP

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