Thüringens AfD-Chef Björn Höcke hat vor dem Landgericht Halle die Vorwürfe der Verwendung einer verbotenen NS-Parole zurückgewiesen. „Ich habe mir nichts vorzuwerfen“, sagte Höcke am Dienstag im Prozess vor dem Gericht in Sachsen-Anhalt. Er sei „völlig unschuldig“, fügt er in seiner gut halbstündigen Aussage hinzu.
Die Staatsanwaltschaft wirft dem von Verfassungsschützern als Rechtsextremist bezeichneten Höcke das Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen vor. Er soll Ende Mai 2021 im sachsen-anhaltischen Merseburg bei einer AfD-Wahlkampfveranstaltung „Alles für unsere Heimat, alles für Sachsen-Anhalt, alles für Deutschland“ gesagt haben.
Nach Überzeugung der Ankläger wusste Höcke, der vor seiner politischen Karriere Gymnasiallehrer für Geschichte war, dass es sich bei der Parole „Alles für Deutschland“ um eine verbotene Losung der sogenannten Sturmabteilung (SA) der nationalsozialistischen Partei NSDAP handelte.
Höcke bestritt dies: „Ich wusste tatsächlich nicht, dass ‚Alles für D…‘ auch von der SA benutzte worden ist“, sagte er am zweiten Prozesstag vor dem Landgericht. In seinen Augen sei das ein „Alltagsspruch“, der auch schon von anderen benutzt worden sei. Auch als Geschichtslehrer habe er das nicht wissen müssen. Ein Geschichtslehrer sei „kein Universalgelehrter“.
Höcke verwies auf mehrere von ihm als Schüler oder als Lehrer genutzte Geschichtsbücher, die er im Gerichtssaal hochhielt, und in denen nach seinen Worten keine Verbindung zwischen der SA und der in Rede stehenden Parole beschrieben werde. Höcke sieht sich als rechtstreuen Bürger. „Ich stehe hier in vollem Bewusstsein, nicht gegen Recht und Gesetz verstoßen zu haben“, sagte der 52-Jährige Vorsitzende des vom Verfassungsschutz als gesichert rechtsextrem eingestuften AfD-Landesverbands Thüringen.
Bei einer Verurteilung wegen Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen drohen laut Gesetz bis zu drei Jahre Freiheitsstrafe oder eine Geldstrafe. Der Vorsitzende Richter Jan Stengel ließ am Dienstag durchblicken, dass die Kammer derzeit eine Geldstrafe für angemessen hält, sofern sich der Tatvorwurf bestätigen sollte.
Das Gericht spielte zuvor ein mehr als anderthalb Stunden langes Video vom damaligen Wahlkampfauftritt von Höcke und weiteren AfD-Politikern in Merseburg ab, wenige Tage vor der Landtagswahl in Sachsen-Anhalt. Im Hintergrund der Aufzeichnung sind Pfiffe, Trillerpfeifen und „Nazi-Raus“-Rufe der Gegendemonstranten zu hören. Als letzter von sieben Rednern hält Höcke am Ende vor den rund 250 Kundgebungsteilnehmern das Wahlprogramm der AfD Sachsen-Anhalt hoch und ruft die angeklagte Parole.
Höcke bestritt jede Nähe zu nationalsozialistischem Gedankengut und beklagte zugleich, dass er bei den „etablierten Medien“ und politischen Gegnern unter Beobachtung stehe. Die Frage der Staatsanwaltschaft, ob ihm bekannt gewesen sei, dass bereits früher gegen andere AfD-Politiker wegen der Verwendung der Losung „Alles für Deutschland“ ermittelt wurde, verneinte Höcke.
Dass das Video unter anderem über eine Facebook-Seite der AfD verbreitet wurde und die verbotene Äußerung damit eine bestimmte Reichweite erzielte, hält die Staatsanwaltschaft für relevant bei der Strafzumessung. Staatsanwalt Benedikt Bernzen wies darauf hin, dass das Video bis Mitte 2023 mehr als 21.000 Mal angeklickt wurde.
Wegen einer möglichen Auswirkung auf die Strafzumessung beantragte die Staatsanwaltschaft zudem, einen vor dem Prozess abgetrennten anderen Fall, in dem es um eine Verwendung der SA-Parole durch Höcke bei einer AfD-Veranstaltung im thüringischen Gera geht, in das laufende Verfahren einzubeziehen. Darüber soll am Freitag kommender Woche entschieden werden. Für den Prozess sind bislang weitere Verhandlungstermine bis zum 14. Mai eingeplant.
Die Verteidigung von Höcke deutete an, dass für sie nur ein Freispruch in Frage kommt. Die Anwälte verwiesen darauf, dass „Alles für Deutschland“ im vergangenen Jahr im Magazin „Der Spiegel“ verwendet wurde und ein Verfahren mit einem Freispruch endete. Angesichts der Landtagswahl in Thüringen am 1. September steht das Verfahren im Justizzentrum Halle unter besonderer Beobachtung. Höcke ist Spitzenkandidat der AfD für die Wahl Anfang September.
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