Im Prozess gegen den Thüringer AfD-Chef Björn Höcke wegen der Verwendung einer verbotenen NS-Parole hat die Staatsanwaltschaft eine Bewährungsstrafe gefordert. Staatsanwalt Benedikt Bernzen beantragte am Dienstag in seinem Plädoyer vor dem Landgericht Halle an der Saale für Höcke eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten, die für zwei Jahre auf Bewährung ausgesetzt werden soll. Die Verteidigung forderte Freispruch. Noch für Dienstag wurde ein Urteil erwartet.
Die Anklage wirft dem von Verfassungsschützern als Rechtsextremist bezeichneten Höcke das Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen vor. Er soll Ende Mai 2021 im sachsen-anhaltischen Merseburg bei einer AfD-Wahlkampfveranstaltung „Alles für unsere Heimat, alles für Sachsen-Anhalt, alles für Deutschland“ gesagt haben.
Nach Überzeugung der Staatsanwaltschaft wusste Höcke, der vor seiner politischen Karriere AfD Gymnasiallehrer für Geschichte war, dass es sich bei der Parole um eine verbotene Losung der sogenannten Sturmabteilung (SA) der nationalsozialistischen NSDAP handelt. Höcke bestritt dies.
Bernzen nannte Höckes vorgegebenes Unwissen über die Herkunft der Parole „weder glaubhaft noch nachvollziehbar“. Höcke habe vielmehr vorsätzlich gehandelt. Dass „Alles für Deutschland“ eine SA-Losung war, sei ein „historischer Fakt“. „Er hat eine vielfach in Vergessenheit geratene Parole wiederbelebt und salonfähig gemacht“, sagte Bernzen mit Blick auf Höcke.
Bernzen sagte weiter in seinem Schlussvortrag, der „augenscheinlich fundierte NS-Sprachschatz des Angeklagten deutet auf Täterwissen hin“. So habe Höcke auch an anderer Stelle NS-Vokabular verwendet, etwa als er den früheren Bundesminister und SPD-Vorsitzenden Sigmar Gabriel als „Volksverderber“ bezeichnet habe.
Es handle sich „um gezielte, planvolle Grenzüberschreitungen, um vermeintliche Denk- und Sprechverbote anzugreifen“, sagte Bernzen. Neben der Bewährungsstrafe soll der AfD-Politiker nach dem Willen der Staatsanwaltschaft 10.000 Euro an eine gemeinnützige Eirichtung zahlen.
Die Verteidigung hält die Beweislage hingegen für unzureichend. Sie sieht auch keinen Vorsatz bei der Verwendung der Parole durch Höcke. Einer von Höckes Verteidigern, Philip Müller, nannte die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft „sehr konstruiert“. Es gebe keine Hinweise, dass Höcke den SA-Slogan geplant verwendet habe. Müller schloss nicht aus, dass Höcke um die Herkunft der Parole gewusst habe. Dies bleibe aber nur ein unbestätigter Verdacht.
Müller warf der Staatsanwaltschaft seinerseits vor, das zum Tatzeitpunkt „unbedeutsame“ Wortgebilde „Alles für Deutschland“ erst wieder durch die Anklage in die Öffentlichkeit gerückt zu haben. Höckes Anwalt Ulrich Vosgerau hält es sogar für nicht eindeutig belegt, dass die Losung der Hauptspruch der SA gewesen sei. Der dritte Anwalt sprach von einer „medialen Hexenjagd“ auf seinen Mandanten.
Bei einer Verurteilung wegen Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen drohen bis zu drei Jahre Freiheitsstrafe oder eine Geldstrafe. Der Vorsitzende Richter Jan Stengel hatte kurz nach Prozessbeginn durchblicken lassen, dass die Kammer eine Geldstrafe für angemessen hält, sofern sich die Vorwürfe bestätigen sollten.
Höcke ist Spitzenkandidat der AfD für die Thüringer Landtagswahl am 1. September. Die AfD liegt in den Umfragen seit Monaten vorn. Höcke selbst will seine Partei in die Regierung bringen und selbst Ministerpräsident werden, allerdings will keine andere Partei mit der AfD koalieren.
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