Es gehe „Kraut und Rüben durcheinander“, sagte Reul am Mittwoch in Düsseldorf. Extremistische Taten seien quantitativ und qualitativ ein ganz anderes Problem als alltägliche Aggressionsdelikte mit Messern etwa in Ausgehvierteln und Partyhotspots.
Ohne den Willen zur Unterscheidung gebe es auch keine „klugen Lösungen“, kritisierte Reul. Politik und Öffentlichkeit dürften sich nicht in einer Diskussion um Verbote und Gesetzesverschärfungen allein „verrennen“. Ein zu einem Anschlag entschlossener Extremist werde stets „Mittel und Wege finden“. In der Debatte müsse es daher immer auch „um die Täter gehen“.
Reul äußerte sich bei der Vorstellung eines landeseigenen sogenannten Lagebilds zu Messergewalt, der Termin war bereits vor dem Anschlag in Solingen mit drei Toten vom Freitag geplant gewesen. Dringend tatverdächtig ist ein 26-jähriger Flüchtling aus Syrien. Die Bundesanwaltschaft ermittelt wegen Terrorverdachts. Er soll die Tat, die bundesweit Bestürzung und Debatten unter anderem um Migrationspolitik und Messerverbote auslöste, als Mitglied der Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) begangen haben.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) kündigte nach dem Attentat unter anderem eine schnelle Verschärfung des Waffenrechts an. Über Messerverbote in der Öffentlichkeit als Mittel gegen Gewaltkriminalität wird ohnehin bereits seit längerem debattiert. Dabei geht es etwa um die Einrichtung von Verbotszonen sowie entsprechende Kontrollbefugnisse für die Polizei.
Dem von Reul vorgestellten Lagebild des Landeskriminalamts (LKA) zufolge wurden in Nordrhein-Westfalen im vergangenen Jahr rund 3500 Taten erfasst, bei denen ein Messer als Tatmittel beteiligt war. Im Vergleich zum Vorjahr 2022 war das eine Zunahme um 43 Prozent. 15 Menschen starben dabei.
Viele Tatverdächtige waren der LKA-Auswertung zufolge männlich sowie relativ jung. Etwa die Hälfte war demnach noch keine 21 Jahre alt, der Anteil der Verdächtigen mit ausländischer Staatsangehörigkeit lag bei 45 Prozent. Erfasst wurden Taten im öffentlichen Raum sowie unter anderem in der Gastronomie. Viele der Vorfälle ereigneten sich in den Abend- und Nachtstunden sowie in Bereichen im Freien, die als Partyhotspots gelten.
Reul zufolge soll die Auswertung helfen, zielgenauere Gegenmaßnahmen und örtliche Konzepte zu entwickeln. Ihn besorge etwa, dass Tatverdächtige ohne deutsche Staatsbürgerschaft gemessen am Ausländeranteil an der Bevölkerung „überproportional“ vertreten seien. Messer hätten sicherlich „auch etwas mit Männlichkeitsgehabe“ zu tun, befand er. Unter anderem solle daher die Präventionsarbeit in Flüchtlingsunterkünften verstärkt werden. Aber auch ganz andere Ansätze wie Videoüberwachung gehörten dazu.
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